Analyse: Wirbel um Nachtflugverbot
Frankfurt/Main (dpa) - Die Aufregung ist groß: Das vom Bundesverwaltungsgericht bestätigte Nachtflugverbot am Frankfurter Flughafen sei ein „fatales Signal“, warnt die Tourismuswirtschaft.
Der Reiseverband DRV fürchtet um Arbeitsplätze, und die Lufthansa sieht in dem Leipziger Urteil einen „schweren Schlag“ gegen den Wirtschaftsstandort Deutschland. Doch Branchenexperten wiegeln ab. Die Folgen der höchstrichterlichen Entscheidung halten sich aus ihrer Sicht in Grenzen. Am härtesten trifft es Lufthansa Cargo.
Die Frachtsparte des Dax-Konzerns fürchtet um die besonders lukrativen Expressflüge in der Nacht. „Speziell auf den Nordatlantikstrecken ist der nächtliche Abflug für unsere Kunden unverzichtbar“, sagt Lufthansa-Cargo-Chef Karl Ulrich Garnadt. Er schätzt, dass das Verbot das Unternehmen jedes Jahr 40 Millionen Euro operativen Gewinn kostet - weil Geschäft abwandert und die Anlagen nicht mehr so gut ausgelastet werden.
Ein Rückzug aus Frankfurt kommt für Garnadt dennoch nicht infrage: „Wir leben davon, dass wir von Passagierflugzeugen auf Frachter umladen können.“ Rund die Hälfte der Fracht ist in den Passagiermaschinen der Lufthansa unterwegs, 40 Prozent der Ladung wird in Frankfurt nur umgeladen. „Dieses Geschäft können wir effizient nur in Frankfurt abwickeln“, ist sich der Manager sicher.
Analyst Sebastian Hein vom Bankhaus Lampe erwartet allerdings, dass Lufthansa Cargo Teile des Geschäfts an andere Flughäfen verlagern könnte. Für den Flughafenbetreiber Fraport sieht Hein keine direkten finanziellen Folgen, sondern „eher einen strategischen Standortnachteil“.
Lufthansa-Chef Christoph Franz hingegen fürchtet um die Stellung des Flughafens in der Welt. „Frankfurt gehört ja zu den Top Ten weltweit, und es ist offen, ob wir das halten können“. An keinem anderen der größten zehn Passagierflughäfen gebe es ein striktes Nachtflugverbot.
Analyst Hein hält die Aufregung um das Leipziger Urteil insgesamt für übertrieben. „Die Sorge, dass die Folgen des Nachtflugverbots über alle hereinbrechen, ist nicht berechtigt“. Das Verbot sei früher die Regel gewesen, erst später habe es Ausnahmen am größten deutschen Flughafen gegeben.
Das Land Hessen hatte zuletzt durchschnittlich 17 Starts und Landungen - davon 90 Prozent Cargo - zwischen 23.00 und 5.00 Uhr geplant. Früher waren es im Schnitt 47 Flüge. Der Ferienflieger Condor wickelte nach eigenen Angaben 20 Prozent seiner Flugbewegungen in den Nachzeiten ab. Als einen Schlag ins Gesicht der in Frankfurt ansässigen Fluggesellschaften, kritisiert Condor-Chef Ralf Teckentrup denn auch die Gerichtsentscheidung.
„Für das normale Passagiergeschäft sind die Folgen überschaubar“, sagt dagegen Branchenexperte Frank Skodzik von der Commerzbank. Etwa ein bis zwei Passagierflüge pro Nacht hätte es bei den geplanten 17 Starts und Landungen gegeben. „Die Airlines könnten negative Ergebniseffekte zudem eingrenzen, wenn es ihnen gelingt, die Flugpläne umzustellen.“ Statt dreimal am Tag hin und zurück zu Mittelstreckenzielen könnten sie beispielsweise zwei Mittel- und eine Kurzstrecke fliegen.
Auch Lufthansa Cargo hat den Flugplan für den Sommer umgebaut, fliegt jetzt frühmorgens in die USA und spätabends zurück. Ob die Kunden das annehmen, ist aber offen. „Die Verlagerung von Flügen nach Köln/Bonn ist ja im Winter gefloppt“, bekennt Cargo-Chef Garnadt.
Der Reiseverband DRV fürchtet dagegen um die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Airlines. Ausländische Fluggesellschaften könnten in ihrer Heimat meist zwischen Mitternacht und 5.00 Uhr ungehindert starten und landen. „Die ausländische Airline kann um gut 30 Prozent rentabler agieren, die deutschen Anbieter büßen jährlich mindestens eine Million Euro Umsatz pro Maschine ein“, warnt DRV-Präsident Jürgen Büchy.
Der Betreiber des Flughafens, Fraport, gibt sich dagegen betont gelassen. Schließlich hätte es noch schlimmer kommen können: An anderen Flughäfen dauert die Nachtruhe acht statt sechs Stunden.