Bundesrichter bestätigen Nachtflugverbot für Frankfurt
Leipzig (dpa) - Nach jahrelangen Protesten bekommen lärmgeplagte Anwohner am größten deutschen Flughafen in Frankfurt/Main dank eines dauerhaften Nachtflugverbots mehr Ruhe.
Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig kippte am Mittwoch eine vom Land Hessen genehmigte Regelung, die zwischen 23.00 bis 5.00 Uhr im Schnitt 17 Starts und Landungen erlaubte. Die Genehmigung für den Flughafenausbau muss nun nachgebessert werden. Die deutsche Luftverkehrswirtschaft fürchtet Nachteile im internationalen Konkurrenzkampf, Fluglärmgegner sehen sich bestätigt. Bundesweite Nachtflugregeln sind nicht in Sicht.
Schon der Hessische Verwaltungsgerichtshof (VGH) in Kassel hatte die vorgesehene Nachtflugregelung in Frankfurt beanstandet, weil sie Anwohnern nicht genügend Schutz vor Lärm biete. Zu Recht, urteilten nun die Leipziger Bundesrichter. Das gelte schon deshalb, weil die Betroffenen zu der geänderten Regelung für die sechs Stunden von 23.00 bis 5.00 Uhr - der sogenannten Mediationsnacht - nicht angehört worden seien. Im Vermittlungsverfahren (Mediation) vor der Baugenehmigung war ein nächtliches Flugverbot vereinbart worden, die hessische Regierung hatte später dennoch Ausnahmen davon erlaubt.
Die Bürgerinitiativen im Rhein-Main-Gebiet, die seit Monaten immer montags im Terminal gegen wachsenden Lärm protestieren, fühlen sich bestätigt. Die Sprecherin der Bürgerinitiativen, Ingrid Kopp, sagte zum Urteil: „Etwas Anderes hätte unseren Glauben an den Rechtsstaat erschüttert.“ Anwohner wollen dennoch weiter protestieren, denn auch tagsüber ist es ihnen zu laut. Der Vorsitzende der Frankfurter Fluglärmkommission, Thomas Jühe, schlug vor, alle Beteiligten sollten nun rasch nach Lösungen zur Umsetzung der Lärmschutzvorgaben suchen.
Die Richter sagten nicht, dass es in der Mediationsnacht gar keine Flüge geben dürfe. Der Gestaltungsspielraum sei aber „auf annähernd Null“ eingeschränkt. „Der planerische Spielraum des beklagten Landes bei der Neuregelung des Flugbetriebes in der Mediationsnacht ist dementsprechend gering.“ Ausnahmen sind etwa für Expressfrachtflüge denkbar - unter strengen Voraussetzungen und genauen Begründungen.
Für die Zeit von 22.00 bis 23.00 Uhr sowie von 5.00 bis 6.00 Uhr begrenzten die Richter die Zahl der zulässigen Flüge auf insgesamt 133. Bisher waren 150 vorgesehen. Der Senatsvorsitzende Rüdiger Rubel betonte, in diesen Stunden müsse sichergestellt werden, „dass die Nacht nicht zum Tag werden darf“.
Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier will das Nachtflugverbot nun umsetzen. „Es wird keine geplanten Nachtflüge geben“, sagte der CDU-Politiker in Wiesbaden. Die vom Land eingelegte Revision habe Rechtssicherheit gebracht. Derzeit gilt bereits ein vorläufiges Nachtflugverbot, das der VGH zur Inbetriebnahme einer neuen Landebahn im vergangenen Oktober verhängt hatte. Mit dem Urteil ist ein langer Rechtsstreit um den Flughafen vorläufig zu Ende gegangen. Ende 2007 hatte das Land den Bau der vierten Landebahn genehmigt. Die Leipziger Richter erklärten den Flughafenausbau nun insgesamt für zulässig.
Die deutsche Luftfahrtbranche sieht nach dem Urteil schlechtere Entwicklungsmöglichkeiten für Frankfurt. „In Amsterdam, Paris, London oder Dubai gibt es solche Beschränkungen nicht“, sagte der Präsident des Bundesverbands der Deutschen Luftverkehrswirtschaft, Klaus-Peter Siegloch. Die Lufthansa sprach von einem schweren Schlag gegen den Wirtschaftsstandort Deutschland, Lufthansa-Aktien rutschten nach dem Bekanntwerden des Urteils zeitweise um knapp vier Prozent ab.
Der Flughafenbetreiber Fraport teilte mit, Einschränkungen müssten akzeptiert werden, auch wenn sie für das Luftfrachtgeschäft schwierig und ärgerlich seien. Positiv sei aber, dass der Betrieb von 22.00 bis 23.00 Uhr und von 5.00 bis 6.00 Uhr nicht weiter eingeschränkt werde.
Die Bundesregierung sieht nach dem Urteil keinen Handlungsbedarf für ein generelles Nachtflugverbot in Deutschland. „Es ist richtig, dass die Länder vor Ort festlegen, welche Betriebszeiten richtig sind“, erklärte Verkehrsminister Peter Ramsauer (CSU). Dabei sei Bürgerbeteiligung besonders wichtig.
Im Herbst hatte das Bundesverwaltungsgericht bereits ein Urteil für den künftigen Hauptstadtflughafen Berlin Brandenburg gesprochen. Dort sind zwischen 22.00 Uhr und Mitternacht sowie zwischen 5.00 und 6.00 Uhr durchschnittlich 77 Starts und Landungen erlaubt, maximal 103. Von 0.00 Uhr bis 5.00 Uhr gilt ein weitgehendes Nachtflugverbot.
Laut Institut der Deutschen Wirtschaft Köln wird in Frankfurt bislang gut die Hälfte des deutschen Luftfrachtverkehrs abgewickelt. „Zukünftig muss ein Teil der Fracht neue Wege finden.“ Der rund 115 Kilometer von Frankfurt entfernte Hunsrück-Flughafen Hahn bot sich als Alternative an. Man habe freie Kapazitäten am Tag und nachts.