Analyse: Zustimmung zu Entmilitarisierung von Gaza
Tel Aviv/Gaza (dpa) - Das von Israel immer stärker forcierte Ziel einer Entmilitarisierung des Gazastreifens bekommt international Zustimmung. Aber kaum jemand erwartet, dass die Hamas ihre Waffen freiwillig abgibt.
Mit Beginn der vierten Kampfwoche im Gazastreifen tritt ein neues israelisches Ziel immer mehr in den Vordergrund: die militanten Palästinensergruppen in der Enklave am Mittelmeer sollen ihre Waffen abgeben und auf ihre militärischen Anlagen verzichten, damit sie Israel in Zukunft nicht mehr angreifen können.
Dies müsse „Teil jeder Lösung“ sein, betont Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu. Bei der internationalen Gemeinschaft scheint er damit durchaus auf offene Ohren zu stoßen. So gingen Äußerungen von US-Präsident Barack Obama und des deutschen Außenministers Frank-Walter Steinmeier in eine ähnliche Richtung. Aber das ist leichter gesagt, als getan.
Aber während die radikal-islamische Hamas bis zum Krieg von Israel noch als eine Art Ordnungsmacht im Gazastreifen akzeptiert wurde, hat sie sich in den Augen vieler inzwischen völlig disqualifiziert. Das liegt vor allem an den massiven Raketenangriffen auf zivile Ziele wie den Flughafen bei Tel Aviv.
Bei Beobachtern in Israel wird die Forderung nach einer Demilitarisierung des Gazastreifens allerdings mit Skepsis gesehen. „Ein lobenswertes Ziel, aber nicht sehr realistisch“, schrieb ein Kommentator der „Times of Israel“ am Dienstag.
Ohne eine komplette Wiedereroberung des 2005 geräumten Palästinensergebiets sei dies kaum denkbar. „Wie will man ohne Sturz der Hamas ein hochgerüstetes Gebiet von Waffen befreien, ein Gebiet, das von einer rücksichtslosen, tief eingegrabenen und vom Iran unterstützten Terrororganisation beherrscht wird, deren Daseinsberechtigung der bewaffnete Kampf und die Zerstörung des jüdischen Staates ist?“
Der früher für Südisrael zuständige General Joav Galant sieht das ähnlich. „Eine Entmilitarisierung bedeutet de facto eine Wiederbesetzung des Gazastreifens durch Israel“, sagt er. Genau das aber will Israel unter allen Umständen vermeiden.
Zwei Forscher des Instituts für Nationale Sicherheitsstudien in Tel Aviv, Schlomo Brom und Udi Dekel, schlagen deshalb vor, die Abgabe der Waffen mit dem Angebot einer Wiederaufbauhilfe zu verknüpfen. „Durch eine wirtschaftliche und zivile Sanierung könnte eine grundlegende Veränderung der Situation in Gaza herbeigeführt werden“, schrieben sie.
Freiwillig würden Hamas und die anderen militanten Palästinenserorganisationen ihre Waffen aber sicherlich nicht niederlegen, geben auch sie zu bedenken. „Dennoch sind die Bedingungen dafür reif, dass Israel eine Entwaffnung der militanten Gruppen erzwingt, selbst wenn die Umsetzung nur teilweise gelingt“, meinen sie.
Nach Einschätzung des früheren Leiters des Einsatzkommandos der israelischen Streitkräfte, Israel Ziv, könnte auch Ägypten bei einem Abrüstungsprozess eine wichtige Rolle übernehmen. Nach Zerstörung der meisten Schmugglertunnel in den Gazastreifen werde Kairo der Hamas sicher „auch nicht beim Wiederaufbau ihrer Kampffähigkeiten helfen“, sagte er. Im Gegenzug für eine größere internationale Unterstützung der angeschlagenen ägyptischen Wirtschaft könnte Präsident Abdel Fattah al-Sisi dazu bewegt werden, „mehr in Gaza zu tun“, meinte der Ex-Militär.
Wirklich neu ist die Idee einer Entmilitarisierung der Palästinensergebiete jedoch nicht. Sie war schon in den israelisch-palästinensischen Friedensabkommen von Anfang der 1990er vorgesehen. Nur umgesetzt wurde sie wie so viele andere Bestimmungen dieser Verträge nicht. Und die Frustration vieler Palästinenser darüber gibt den militanten Palästinenserorganisationen und ihrem bewaffneten Kampf gegen Israel immer wieder Auftrieb.