Palästinensischer Fahrer Anschlag in Israel nährt Sorge vor Eskalation 2017

Jerusalem (dpa) - Israelische Soldaten warten in einer Reihe vor einem Bus. Plötzlich kommt ein Lastwagen von der Seite und fährt mit großer Wucht in die Gruppe, es sind Teilnehmer eines Offizierskurses.

Menschen liegen am Boden, unter den anderen bricht Panik aus. Doch es kommt noch schlimmer: Der palästinensische Fahrer geht in den Rückwärtsgang und fährt abermals über die schon am Boden liegenden Opfer. Drei Soldatinnen und ein Soldat sterben, 13 weitere werden verletzt.

Schon kurz nach dem Anschlag in Jerusalem kursieren die grausigen Videoaufnahmen von der tödlichen Laster-Attacke. Einige der Opfer sind unter dem schweren Gefährt eingeklemmt, müssen erst mit einem Kran befreit werden. Die Bilder sind so schrecklich, dass einige der Augenzeugen einen Schock erleiden.

Zu dem weiteren Hergang gibt es widersprüchliche Angaben: Ein Gruppenleiter sagt, einige der bewaffneten Soldaten hätten gezögert, auf den Attentäter zu schießen. „Ich bin auf ihn zugerannt und habe mein ganzes Magazin leer geschossen“, sagt der Mann namens Eitan dem Armeesender. Anderen Berichten zufolge hat mindestens ein Soldat ebenfalls geschossen. Bilder vom Ort des Anschlags zeigen eine von Kugeln durchlöcherte Frontscheibe des Lastwagens.

Eitan sagt, er sehe als Grund für das Zögern einiger Soldaten die Verurteilung des israelischen Soldaten Elor Asaria vor ein paar Tagen. Er hatte in Hebron einen verletzten palästinensischen Attentäter getötet. „Ich habe keinen Zweifel, dass das ein entscheidender Faktor war“, sagte Eitan dem Sender.

„Man sagt ihnen in letzter Zeit immer nur, sie sollten aufpassen. Es kann sein, dass die Lage mit ein paar Minuten weniger Zögern jetzt sehr viel besser wäre“, fügte er hinzu. Der Fall Elor Asaria spaltet die israelische Gesellschaft. Er hat heftige Debatten darüber in Gang gesetzt, unter welchen Umständen es erlaubt ist, auf palästinensische Attentäter zu schießen.

Wenige Stunden vor dem Attentat nimmt die Jerusalemer Polizei sieben Teilnehmer einer Solidaritätsdemonstration für den wegen Totschlags verurteilten Soldaten fest. Sie hatten die Straße vor dem Amtssitz des Staatspräsidenten blockiert, um gegen das Urteil zu protestieren. Bei einer Gegenkundgebung in Tel Aviv versammeln sich am Samstagabend mehrere tausend Demonstranten und rufen das israelische Volk zur Einheit auf. Doch der Anschlag dürfte eher noch mehr Öl ins Feuer gießen.

Ministerpräsident Benjamin Netanjahu zieht nach der Attacke in Jerusalem eine Parallele zu den Laster-Anschlägen in Europa. Auch ein Kommentator des israelischen Fernsehens sagt, der neue Anschlag erinnere an die Attacken in Berlin und Nizza. „Möglicherweise handelt es sich hier um eine gegenseitige Inspiration“, sagt Nahost-Experte Ehud Jaari.

Israels Sicherheitskräfte fürchten nach dem Anschlag eine neue Eskalation der Gewalt im gerade erst begonnenen Jahr 2017, wie das israelische Fernsehen berichtet. Zur Frustration über die fortwährende israelische Besatzung und den stockenden Friedensprozess kommen mögliche drastische Veränderungen der US-Nahost-Politik unter dem künftigen Präsidenten Donald Trump: Er hat Verständnis für Israels Siedlungsausbau geäußert und die Verlegung der US-Botschaft nach Jerusalem angekündigt.

Anschläge wie der in Jerusalem inspirieren erfahrungsgemäß andere Palästinenser zu Nachahmungstaten. Der Attentäter, der sich den Lastwagen nach Medienberichten wenige Wochen vor der Tat gekauft hat, wird am Sonntag in sozialen Netzwerken teils als Held und als „Schahid“ (Märtyrer) gefeiert. Und im Gazastreifen verteilen Palästinenser auf der Straße „zur Feier des Tages“ Süßigkeiten.