Anti-IS-Kampf: Zwingend nötig oder unkalkulierbares Abenteuer?
Berlin (dpa) - Deutsche Kampfjets über Syrien und dem Irak - lange Zeit galt das als undenkbar. Nun will die Bundesregierung doch deutsche Soldaten in den Krieg gegen die Terrororganisation Islamischer Staat (IS) schicken.
Die Zustimmung des Bundestags gilt als sicher. Es wird der dritte offensive Kampfeinsatz in der Geschichte der Bundeswehr sein - nach denen in Afghanistan und im Kosovo. So wie die beiden Vorgängermissionen ist auch dieser Kriegseinsatz höchst umstritten. Hier die Argumente der Befürworter und Gegner.
PRO
Die Terrorserie in Paris hat nicht nur Frankreich, sondern ganz Europa zutiefst getroffen. „Mit den Anschlägen in Paris hat IS Frankreich und die freiheitliche Werteordnung Europas direkt angegriffen“, schreibt die Bundesregierung im Mandatstext für den Bundeswehreinsatz. Der IS stelle eine Bedrohung für den Weltfrieden und die Sicherheit weit über Syrien und den Irak hinaus dar.
Aus Sicht der Bundesregierung reicht es daher nicht mehr aus, die IS-Gegner vor Ort wie die Kurden und Jesiden im Nordirak mit Waffen und militärischer Ausbildung zu unterstützen. Verhandlungen mit dem IS sind auch ausgeschlossen. „Der Islamische Staat lässt sich nicht mit Worten überzeugen, sondern der Islamische Staat muss mit militärischen Mitteln bekämpft werden“, sagt Kanzlerin Angela Merkel.
Die Bundesregierung verweist aber gleichzeitig darauf, dass die Verhandlungen über eine Lösung des Syrien-Konflikts - der sogenannte Wiener Prozess - mit zuletzt 17 teilnehmenden Staaten fortgesetzt werden müssten. Denn stabile Strukturen sind notwendig, um dem militanten Islamismus den Nährboden zu entziehen.
Es gibt auch noch einen formellen Grund, der aus Regierungssicht klar für den Bundeswehreinsatz spricht. Frankreich hat um Hilfe gebeten und beruft sich auf die im Vertrag über die Europäische Union festgeschriebene Beistandspflicht. Wer die EU als Solidargemeinschaft ernst nimmt, kann gar nicht anders, als bei einer solchen Bitte Ja zu sagen.
CONTRA
Gegner der Luftangriffe gegen den IS meinen, dass der Militäreinsatz alles nur noch schlimmer macht. Der IS werde noch stärkeren Zulauf erhalten, er werde sich weiter radikalisieren, und die Gefahr von Anschlägen in Europa werde steigen. Eine große Mehrheit der Deutschen (71 Prozent) teilt die Befürchtung einer wachsenden Terrorgefahr in Deutschland nach einer aktuellen YouGov-Umfrage.
Fraglich ist, ob der IS tatsächlich militärisch besiegt werden kann. Er könnte seinen Angreifern ausweichen, in Länder wie Libyen oder Mali. Die Anti-IS-Allianz müsste ihm dann von einem Land ins nächste hinterherjagen.
Auch die militärische Strategie der Allianz gegen den IS ist umstritten. Der frühere Nato-Oberbefehlshaber Egon Ramms meint, dass der Einsatz von Bodentruppen letztlich unausweichlich sein wird. Dazu gibt es aber seitens der Allianz so gut wie keine Bereitschaft. Außerdem fehlt ein Plan für die Lösung des Syrien-Konflikts, der ja bei weitem nicht nur aus dem IS-Problem besteht.
Auch den Blick zurück führen die Skeptiker gegen die Anti-IS-Mission an. Der Krieg gegen den Terror wird seit 14 Jahren geführt. Ausgangspunkt waren die Anschläge in den USA am 11. September 2001. Die Bombardements in Syrien und im Irak sind der vierte Krieg mit einem Zusammenhang zum islamistischen Terror, an dem Nato-Staaten beteiligt sind. Keiner dieser Kriege hat zu einem nachhaltigen Erfolg geführt. In Afghanistan wüten weiterhin die radikalislamischen Taliban. Die Kriege im Irak und in Libyen hatten ein Erstarken der Islamisten in diesen Ländern zur Folge.