Auf Papst Franziskus kommen große Aufgaben zu
Rom (dpa) - Bei der ersten Messe nach seiner historischen Wahl hat der neue Papst Franziskus die katholische Kirche davor gewarnt, Gott aus dem Blick zu verlieren.
Ohne die Verkündigung Jesu „werden wir eine mitleidige regierungsunabhängige Organisation“, sagte das Oberhaupt von 1,2 Milliarden Katholiken in der in der Sixtinischen Kapelle in Rom. „Wenn wir ohne das Kreuz voranschreiten, aufbauen und bekennen, dann sind wir keine Jünger des Herrn.“
Der Gottesdienst „Per la Chiesa“ („Für die Kirche“) beendet offiziell das Konklave. Zu Beginn seines ersten Arbeitstages hatte der erste Lateinamerikaner auf dem Stuhl Petri am Morgen in der römischen Basilika Santa Maria Maggiore gebetet. Die feierliche Amtseinführung des 76-jährigen Jorge Mario Bergoglio ist am kommenden Dienstag geplant.
Italienische Kommentatoren sprachen von einer „epochalen Wahl“. Der Jesuit Bergoglio gab sich den Papstnamen Franziskus nach dem heiligen Franz von Assisi - auch dies einmalig in der Kirchengeschichte. Erstmals seit dem Syrer Gregor III. im 8. Jahrhundert stammt ein Papst nicht aus Europa.
Der Nachfolger des deutschen Papstes Benedikt XVI. wird als Anwalt der Armen bezeichnet und weckt so international Hoffnungen auf mehr soziale Gerechtigkeit und ein friedlicheres Miteinander der Religionen. Zugleich äußern Experten die Hoffnung, dass mit ihm auch innerhalb der Kirche ein Signal für Aufbruch und Erneuerung gegeben wird.
Bundeskanzlerin Angela Merkel sieht in der Wahl eines nicht- europäischen Papstes ein wichtiges Signal. „Ich glaube, das zeigt auch, dass die Welt immer weiter zusammenwächst. Und wir werden sehr interessante Impulse von ihm bekommen, da bin ich mir ganz sicher.“
Weiterhin trafen Glückwünsche aus aller Welt ein. Neben dem israelischen Präsidenten Schimon Peres lud auch Palästinenserpräsident Mahmud Abbas den Papst ins Heilige Land ein. Die in den Palästinensergebieten gelegene Stadt Bethlehem gilt als Geburtsort von Jesus.
An diesem Sonntag spricht Franziskus sein erstes Angelus-Gebet auf dem Petersplatz, zu dem tausende Gläubige erwartet werden. Bei seiner Amtseinführung am kommenden Dienstag erhält die Insignien der päpstlichen Macht, das Pallium, eine Art Stola, und den Fischerring.
Zu dem Gottesdienst werden Staats- und Regierungschefs und andere Persönlichkeiten aus aller Welt erwartet, darunter Kanzlerin Merkel und die Präsidentin seines Heimatlandes, Cristina Fernández de Kirchner. Sie hatte zu dem bisherigen Erzbischof von Buenos Aires ein eher gespanntes Verhältnis, weil er oft gegen die Regierungspolitik etwa in Sachen Homo-Ehe oder Abtreibungsrecht Front machte.
Franziskus hofft sehr, zu einer weiteren Verbesserung der Beziehungen zwischen Juden und Katholiken „im Geist erneuerter Zusammenarbeit“ beitragen zu können. Er wolle so einer Welt dienen, die mehr im Einklang mit dem Willen des Schöpfers sein könne, schrieb der Papst an Roms Chefrabbiner Riccardo Di Segni. Er lud den Chefrabbiner zu der Messe am Dienstag ein.
Am kommenden Mittwoch will Franziskus Vertreter anderer Kirchen und Religionen empfangen. Seine erste große Auslandsreise dürfte ihn zum Weltjugendtag im Juli nach Rio de Janeiro führen.
Auf Franziskus warten gewaltige Aufgaben. Die katholische Kirche leidet nach Ansicht von Kritikern unter einem Reformstau. Auch die Kurie und die Vatikanbank gerieten in Verruf.
Zu seinem Vorgänger Benedikt, der aus Altersgründen zurückgetreten war, sucht der Argentinier offensichtlich engen Kontakt. Er will Benedikt bald treffen, aber noch nicht in den allernächsten Tagen, wie Vatikan-Sprecher Federico Lombardi sagte. Nach seiner Wahl am Mittwochabend - das Konklave gehörte zu den kürzesten der Geschichte - hatte der neue Papst Joseph Ratzinger in Castel Gandolfo angerufen, wo dieser derzeit wohnt.
Der Erzbischof von München-Freising, Kardinal Reinhard Marx, erwartet von Franziskus die eine oder andere Überraschung. Der Berliner Kardinal Rainer Maria Woelki sagte: „Ich denke, dass er versuchen wird, auch in der Kurie einen neuen Stil hineinzubringen.“ Beide gehörten zu den sechs deutschen Papstwählern im jüngsten Konklave. Woelki deutete in Interviews an, dass die Wahl unter den 115 Kardinälen sehr schnell auf Bergoglio hinausgelaufen sei.
Deutschlands Protestanten hoffen auf neuen Schwung für die Ökumene. Die lebe zwar vor allem in den Gemeinden und Initiativen vor Ort, sagte der Ökumene-Experte der evangelischen Kirche, Braunschweigs Bischof Friedrich Weber, der Nachrichtenagentur dpa. Die evangelischen Kirchen erwarteten aber, dass der neue Papst als Brückenbauer den Kontakt zu den reformatorischen Kirchen sucht.
Religionsgemeinschaften äußerten die Hoffnung auf eine Fortsetzung und Verbesserung der interreligiösen Zusammenarbeit. „Wir hoffen auf fruchtbare Dialoge und weitere Impulse“, sagte der Vorsitzende des Zentralrats der Muslime in Deutschland, Aiman Mazyek.