Analyse: Nicht nur Jubel in Heimat des Papstes
Buenos Aires (dpa) - Es fühlt sich ein bisschen so an, als wäre Fußball-Weltmeisterschaft. Junge und alte Menschen schwenken Fahnen, trommeln, stimmen gemeinsam Lieder an. Es herrscht Aufbruchsstimmung.
Doch vor der Kathedrale in Buenos Aires feiern die Menschen nicht die Nationalmannschaft.
Sie besingen das neue Oberhaupt der katholischen Kirche. „Francisco, querido, el pueblo está contigo“ - zu deutsch: Geliebter Franziskus, das Volk ist mit Dir. Die Wahl des bisherigen Erzbischofs von Buenos Aires, Jorge Mario Bergoglio, zum neuen Papst Franziskus, ist ein emotionaler Moment für die Argentinier. Die wenigsten haben damit gerechnet, dass ausgerechnet der 76-jährige Bergoglio am Mittwochabend zum Nachfolger von Benedikt XVI. gewählt werden würde.
Die Argentinier sind stolz. Das ist nicht zu übersehen. Ein Mann ruft in die Menge: „Mit Prinzessin Máxima zieht Argentinien bald in ein Königshaus ein! Und nun der Papst!“ Nur wenige Stunden nach Verkündung des neuen Papstes werden auf der Plaza de Mayo bereits blaue Fahnen mit dem Konterfei Bergoglios vertrieben. Die Kirche ist längst so überfüllt, dass niemand mehr hineinpasst. Doch den meisten ist das egal: Sie feiern ihren Papst auch unter freiem Himmel.
„Wenn ich ehrlich bin, ich dachte es wird ein Jüngerer“, sagt Mariano Battaglia (34). „Mein Wunsch war eigentlich nur, dass der zukünftige Papst aus Lateinamerika und nicht aus Europa kommt. Dass es nun sogar ein Argentinier geworden ist, macht mich natürlich besonders glücklich.“ Er habe gehört, dass Bergoglio sich für die Armen einsetze. „So jemanden brauchen wir.“
Das denkt auch Ana Paula (30). „Argentinien geht es sozial sehr schlecht. Mit Bergoglio gibt es hoffentlich die Chance, dass die katholische Kirche zu ihren ursprünglichen Werten zurückfindet. Er ist ein sehr bescheidener Mensch und war immer besorgt um das Wohlergehen des Volkes.“ Für sie sei es wie ein Wunder, dass der Argentinier die Wahl für sich entschieden habe. „Meine Schwester rief mich bei der Arbeit an und fragte, ob ich es schon gehört hätte. In dem Moment brach schon das ganze Gebäude in Jubel aus. Alle sprechen darüber.“
Von der Regierung war zunächst wenig zu hören. Die Präsidentin Cristina Kirchner twitterte erst eine Stunde nach der Entscheidung in Rom ihren Glückwunsch für den neuen Papst.
Ihre Beziehung mit dem bisherigen Erzbischof von Buenos Aires war nicht die beste. Die harte Opposition Bergoglios gegen das 2010 angenommene Gesetz für Homo-Ehen, aber auch seine Kritik an der anhaltenden Armut breiter Schichten, hatten zu Konfrontationen geführt. Die Regierung verunglimpfte den Erzbischof als „Oppositionschef“ und Vertreter der Inquisition. Nach Bekanntgabe des neuen Papstes verfolgte Kirchner weiter ein vorgesehenes Einweihungsprogramm von Regierungsinitiativen. Erst zum Abschluss einer langen Rede vor Sympathisanten drückte sie die Hoffnung aus, der neue Papst könne ein höheres Maß an Brüderlichkeit zwischen den Völkern und den Religionen schaffen.
Auch Bergoglios als zauderhaft kritisiertes Verhalten während der Militärdiktatur wurde erneut zum Thema, besonders in regierungsfreundlichen Medien. Zwei Jesuiten waren 1976 verschleppt worden, als Bergoglio Provinzial des Ordens war. Er soll sie ihrem Schicksal überlassen haben, beschuldigen ihn einige Menschenrechtsverteidiger. Er selbst gibt an, die beiden Patres vorgewarnt und ihnen Schutz im Jesuitenhaus angeboten zu haben. Auch habe er bei den Militärs für sie vorgesprochen, doch ohne Erfolg. Sie wurden erst nach fünf Monaten Haft und Folter freigelassen. Friedensnobelpreisträger Adolfo Pérez Esquivel meinte am Donnerstag, Bergoglio könnte einiges unterlassen haben, ein Komplize der Militärdiktatur sei er aber nicht gewesen.