Interview Die Toten Hosen über die AfD, Buenos Aires und Neid-Diskussionen
Die Toten Hosen rocken Buenos Aires - es ist das 25-Jahr-Jubiläum. Die Punk-Rocker aus Düsseldorf haben sich immer auch als politische Band verstanden, nach dem Erfolg der AfD setzt Sänger Campino daheim auf eine Erleuchtung, auch bei „der mattesten Birne im Land“.
Buenos Aires. Campino hat die Liste mit den Songs im Hotel vergessen, nun muss die Crew der Toten Hosen sehen, wie sie rasch eine neue erstellt. Draußen läuft schon der Soundcheck. Kurz vor dem Jubiläumskonzert, 25 Jahre nach dem ersten Auftritt in Buenos Aires, sprechen der Sänger sowie der Bassist Andi im Interview mit der Deutschen Presse-Agentur über ihre Empfehlungen für den Umgang mit der AfD, zusammengebrochene Bühnen in Buenos Aires und Neid-Diskussionen.
Ihr positioniert Euch klar politisch, wie sehr hat Euch der auch in Argentinien diskutierte Ausgang der Bundestagswahl überrascht?
Campino: „Man muss Sorge haben, dass sich keine starke, handlungsfähige Regierung findet. Wie weit kann man bei Parteien wie der FDP an den Common Sense appellieren, wie weit stecken die ihr Ego zurück? Dass sich Leute zusammenreißen, die sich sonst nicht so viel zu sagen haben, für das Land. Mir erschienen da zuletzt die Grünen noch am offensten. Ich kann sehr gut damit leben, dass Frau Merkel weiter Kanzlerin bleiben soll. Aber praktisch CDU, CSU, FDP und Grüne unter einen Hut zu bringen, das stelle ich mir sehr, sehr anstrengend vor. Ich wünsche der Frau einfach nur stabile Nerven.“
Andi: „Die Tatsache, dass die AfD in den Bundestag eingezogen ist, ist ganz klar eine traurige Tatsache. Das wird sich zeigen, ob die anderen Parteien es hinbekommen, die AfD mit guter Politik wieder klein zu machen. Rechts wählen ist leider gerade weltweit ein Trend.“
Beim Umgang mit der AfD dominiert gerade eine gewisse Hilflosigkeit - auch Ihr habt unter AfD-Wählern sicher Anhänger...
Campino: „Das sind nicht irgendwelche Zombies, die wieder auferstanden sind. Wir leben in anstrengenden Zeiten, Beispiel Flüchtlingskrise. Das war schon immer so, da haben wir gute 20 Prozent in Deutschland, die eine einfache Lösung wollen. Viele Medien haben diese Diskussion mit angefeuert. Aber wenn es um die Zukunftsvisionen geht, wird auch der mattesten Birne im Land klar werden, dass die AfD hoffentlich eine vorübergehende Erscheinung ist.“
Welche Aufgabe seht Ihr für Euch als Künstler, Spaltungstendenzen und Hass in der Gesellschaft entgegenzutreten?
Campino: „Wir als Künstler? Das möchte ich so nicht stehen lassen. Wir als Bürger sind jetzt alle gefragt. Ob das ein Bäcker ist, ein Schauspieler oder auch ein Musiker, die Verantwortung sollte nicht bei einer bestimmten Gruppe abgeladen werden. Wir kommen natürlich aus einer Bewegung, die ihre Musik mit einer bestimmten politischen Lebenseinstellung verknüpft hat. Das kann man uns nicht ausklopfen, aber ich will auch nicht mit dem Finger auf andere zeigen, die nicht klar Stellung beziehen. Das Gute an der Situation ist, dass die Konturen geschärft werden, es wird wieder rauchen im Bundestag, es wird konfrontativ. Es gibt wieder einen klaren Gegner, den man angreifen kann, der keine Wischi-Waschi-Statements raushaut.“
Stichwort: Mehr Leben im Bundestag - die Post geht hier in einem etwas anderen Sinne auch bei Euren Konzerten ab, Ihr seid sogar Ehrenbürger von Buenos Aires. Argentinien und die Hosen, warum ist das seit 25 Jahren so eine spezielle Beziehung?
Campino: „Das ist eine große Punkszene hier, es ist eine Sache der Straße, hier passen wir hin vom Spirit. Wir haben hier auch gespielt, als das Land pleite war. Da ist kein ausländischer Künstler hier gewesen, wegen der Geldentwertung. Wir haben da gesagt, wir spielen für 50 Cent. Das haben die Argentinier uns nie vergessen, dass man zusammen durch dick und dünn geht. Mittlerweile ist es so, dass auch unsere deutschen Fans hierhin kommen, für ein Konzert hier haben wir 500 Tickets in Deutschland verkauft, die Fans haben Freundschaften mit Argentiniern aufgebaut.“
Was ist der Unterschied zu Konzerten in Deutschland?
Campino: „Wir sind für die Argentinier etwas Spezielles, für einige sind wir nach dem Ende der Ramones sozusagen deren Nachfolger. Wir lieben hier die Läden mit rund 2000 Leuten, weil es da auf andere Art brodelt, sehr wild. Das ist ein reiner Spaß. Eine richtige emotionale Explosion - unsere Fans zu Hause haben uns das erst ermöglicht, dass wir hin und wieder mal wählen können, wir fahren nach Tadschikistan, nach Myanmar oder nach Argentinien.“
Andi: „Die Leute singen die Lieder auf deutsch mit, die lernen teilweise extra deutsch. Und es passiert immer irgendetwas. Als wir das erste mal im Museum gespielt haben, brach nach 30 Sekunden die Bühne zusammen. Sie war mit den Absperrgittern verbunden, bei „Opelgang“ drückte die Menge so gegen die Bühne, dass plötzlich als erstes das Schlagzeug nach hinten weggekippt ist. Ich dachte, ich hab' doch gestern gar nicht so viel getrunken, als plötzlich alles schwankte. Das war das kürzeste Konzert unserer Geschichte.“
Campino: „Wir hatten auch mal Wasserwerfer vor der Tür, es gab draußen Straßenschlachten, weil die Leute noch rein wollten zu einem Konzert. Einmal meinte die Polizei, die Sicherheitsbedingungen seien nicht gewährleistet, dann wurden 2500 Dollar auf den Tisch gelegt und plötzlich gab es kein Problem mehr.“
Ein Unterschied ist auch, dass Ihr „Tage wie diese“ hier mit spanischem Refrain spielt - und nicht als „Mainstream“ angesehen werdet ...
Campino: „Diese Diskussion führen Leute, die nichts mit uns zu tun haben. Das ist auch ein bisschen eine Neid-Diskussion, das ist ein Song, der durch die Decke gegangen ist. Und dann versucht man uns zu diskreditieren, wir würden jetzt schlagerangehauchte Musik machen. Da sind dieselben Akkorde benutzt worden wie bei unseren anderen Songs. Wir müssen uns nach so einem langen Werdegang doch nicht erklären, weil wir mal ein Lied gemacht haben, das alle hören wollen. Der Moment, als Fortuna Düsseldorf in die erste Liga aufgestiegen ist und dann lief dazu „Tage wie diese“, da hab' ich geweint. Und dann wird Deutschland Weltmeister im Maracanã, und man hört über die Boxen „Tage wie diese“ dödeln, das war schon obskur.“