Fans wie diese: Konzertjubiläum der Toten Hosen in Buenos Aires
Vor 25 Jahren spielten die Toten Hosen erstmals in Argentinien. Seither sind sie dort zu großen Stars aufgestiegen - zum Jubiläum gibt es ein rauschendes Konzert. Und eine Erinnerung an wilde Anekdoten am La Plata.
Buenos Aires. Und dann springt er vom Balkon in die Menge. Irgendwie fangen sie Campino auf, er schwebt über zahllose Hände. Das Hemd hat der 55-Jährige schon lange ausgezogen, am rechten Oberarm des Sängers der Toten Hosen prangt ein Tattoo mit dem Bild der argentinischen Tangolegende Carlos Gardel, dazu der Slogan: „Mi Buenos Aires querido“ - übersetzt: „mein geliebtes Buenos Aires“.
Das letzte Konzert hier im „Museum“ im Tangoviertel San Telmo war das kürzeste in der 35-jährigen Bandgeschichte der Toten Hosen. Beim ersten Lied „Opelgang“ wogte die Menge so gegen die Bühne, dass sie zusammenbrach. „Ich musste erstmal mit einem Megafon die Leute beruhigen. Es gab keinen Notausgang“, erinnert sich Campino. Dieses Mal hält die Bühne, beim Jubiläumskonzert der „Pantalones Muertos“ (spanisch für: Tote Hosen) - 25 Jahre nach dem ersten Auftritt am La Plata.
„Argentinien, das ist eine Liebesgeschichte zwischen den Toten Hosen und Buenos Aires, inzwischen sind wir ein gut eingespieltes Ehepaar, 25 Jahre zusammen“, sagt Campino. Zur Feier des Tages wird der Hit „Tage wie diese“ mit spanischem Refrain gegeben: „Días como estos“. Auch Fans aus Deutschland sind angereist, es sind große Freundschaften entstanden. Einige Fans aus Deutschland kommen regelmäßig zu Besuch bei den Freunden, vor dem Konzert wird ein Satz Fortuna Düsseldorf-Trikots an Argentinier überreicht. Man singt draußen gemeinsam „You'll never walk alone.“
So wie Campino nur gebrochen spanisch spricht, hört es sich auch etwas speziell an, wenn die Argentinier sich an „Wünsch Dir was“ oder „eisgekühlter Bommerlunder“ probieren. Zwischendurch darf ein blinder Fan das Schlagzeug übernehmen. In Deutschland gilt die Band ja fast als Mainstream, hier können sie noch wilde, ursprüngliche Punkrockerlebnisse feiern. Nach dem Ende der Militärdiktatur 1983 bildete sich eine der lebendigsten Punkszenen Südamerikas heraus - mit Bands wie „Los Violadores“, „die Vergewaltiger“.
Nirgendwo haben die Toten Hosen außerhalb Europas so oft gespielt. Wie es dazu kam? Anruf bei Michael Reichel, heute Taxifahrer im Raum Karlsruhe. Er kannte Campino, Breiti und Co. von gemeinsamen Fußballspielen am Rande von Konzerten. Von 1988 bis 1990 war er für die Deutsche Bank in Buenos Aires, kündigte und kam 1992 als Konzertveranstalter und Punkfan zurück an den La Plata. Er brachte Radiosendern Kassetten mit Hosen-Songs vorbei. „Das kam richtig gut an“, erzählt Reichel. „Dann hab ich Kiki (Tourleiter der Hosen) angerufen und gesagt, kommt einfach mal rüber.“ Auf eigene Faust kaufte er acht Flugtickets - und der erste Auftritt war dank Mundpropaganda mit über 2000 Leuten gleich restlos ausverkauft - zum 25-Jahr-Jubiläum werden sie auch bei einem Fan zuhause im Wohnzimmer spielen. 2012 wurde der Band - auf Initiative von Fans - sogar die Ehrenbürgerschaft von Buenos Aires angetragen.
Beim ersten Konzert 1992 war auch der damals 17-jährige Mariano Asch dabei - er wurde fortan der Kontaktmann und Konzertorganisator vor Ort. Beim Konzert am Samstag im „Museum“, reicht er Campino ein Smartphone, um ein Video von der wild pogenden Menge zu drehen. Die Liste legendärer Auftritte ist lang: 1996 spielen sie im River-Plate-Stadion mit Iggy Pop als Vorband beim letzten Argentinien-Konzert der Ramones. Der Abend brachte den Durchbruch. Campino kletterte mit einer Fackel einen Lichtmast komplett hoch, Pendler sahen aus einem in der Nähe vorbeifahrenden Zug nur einen Irren am Mast mit Fackel. „Davon wird heute noch in Buenos Aires geredet, der Moment ist in die Legendenbildung des Pop eingegangen“, schreibt Philipp Oehmke in der Hosen-Biografie „Am Anfang war der Lärm“.
„Einige haben sich vielleicht gedacht: wenn's die Ramones nicht mehr gibt, sollen die Toten Hosen unsere Band sein“, meint Campino dazu. Am Abend danach tauchte Iggy Pop bei einem Spontankonzert der Hosen auf, Campino holte ihn auf diie Bühne, man sang „Wild Thing“ von den Troggs. Einmal musste die Polizei in Buenos Aires sogar Wasserwerfer auffahren lassen, draußen gab es Straßenschlachten, weil die Leute noch hineinwollten zum Konzert. Ein Höhepunkt war das spontane Konzert 2009 auf einem Gerüst in der kurzfristig für den Verkehr gesperrten Avenida Santa Fe, kaum publik gemacht, waren tausende Argentinier da, der gesamte Verkehr brach zusammen.
Monica Gabriela Noguerol (33) ist auch beim Jubiläum dabei, sie empfing die Band schon am Flughafen. „Wir sind alle eine große Familie geworden“, sagt die Vorsitzende des Facebook-Fanclubs der Hosen in Argentinien mit 6300 Mitgliedern. Ihr Spitzname: „Gabi Hosen“. „Mit einigen Freunden lerne ich mit den Liedern der Hosen auch deutsch.“ Reihenweise haben sich Argentinier Tattoos mit dem Skelettadler, dem Symbol der Band aus Düsseldorf, stechen lassen. Aus Sicht von Bassist Andi und Campino wurde diese „Silberhochzeit“ auch geschafft, weil man in Argentinien spielte, als das Land 2001 pleite war. „Da ist kein ausländischer Künstler hier gewesen, wegen der Geldentwertung. Da haben wir gesagt, wir spielen da für 50 Pfennig, oder 50 Cent“, erzählt Campino. „Das haben die Argentinier uns nie vergessen, dass man zusammen durch dick und dünn geht.“