Es gibt ein englisches Sprichwort, das sich so richtig gut nicht ins Deutsche übersetzen lässt: „The proof of the pudding is in the eating“. Oft unzulänglich übersetzt als „Probieren geht über Studieren“. Das Originalzitat lässt sich wunderbar auf jenen britischen Exportschlager übertragen, der seit 1981 über die Bühne schleicht und schnurrt. Nicht nur, weil Katzen gern Pudding schlecken, sondern weil der Erfolg des Stücks nicht wirklich vorhersehbar war.
Ab 10. April streunen die Miezen aus „Cats“ über die Bühne des Capitol-Theaters. In Düsseldorf werden sie in einer original-englischen Rezeptur aus dem Londoner West End zu sehen sein. Dazu nehme man die Gedichte und Gedankenwelten eines Literaturnobelträgers, einen herausragenden Komponisten, eine begnadete Choreografin und einen Shakespeare-versierten Regisseur. Zu Beginn – hier kommen wir zum Pudding zurück – war man sich nicht sicher, ob dies dem Publikum wohl munden würde. Kann man aus Kindergedichten Musiktheater machen? Kann man die Geschichte des Stücks bei den Proben entwickeln? Ist es nicht albern, wenn Erwachsene so tun, als seien sie Tiere?
Am Ende „schmeckte“ es dem Publikum hervorragend. Andrew Lloyd Webber (Musik), Gillian Lynne (Choreografie) und Trevor Nunn (Regie) schufen mit „Cats“ einen Musical-Klassiker, der an vielen Rekorden kratzte: mehr als 73 Millionen Zuschauer weltweit, in der Top Ten der am längsten gespielten Stücke am Broadway in New York und im West End in London.
„Memory“ ist der bekannteste Song aus „Cats“, die Bühnengeschichte schnell erzählt: Die Streunerkatzen – die Jellicle Cats – treffen sich auf dem Schrottplatz zum alljährlichen Ball, auf dem einem oder einer der Gruppe ein neues Leben gewährt wird. Während der Show treten unterschiedliche Typen auf: vom Unruhestifter Macavity über die kokette Bombalurina, die traurige Grizabella bis hin zum weisen Anführer Old Deuteronomy.
Chrissie Cartwright und
ihr Wirken bei Cats
Durch fast 30 Länder und mehr als 300 Städte sind die Katzen in den 44 Jahren seit ihrer Uraufführung stolziert. Dazu braucht es eine erfahrene Dompteurin. Chrissie Cartwright ist seit 1986 die Mutter der Miezen und Hüterin des „Cats“-Universums. Sie wacht über die Musical-Produktionen des Klassikers. „Es ist ein außergewöhnliches Vermächtnis, das es zu bewahren gilt“, sagt die ehemalige Tänzerin, die zwar die Tänze des Stücks lernte, aber niemals selbst als Katze auf der Bühne stand.
Die Choreografin und ehemalige Ballerina Gillan Lynne (1926-2018), die die Choreografien zu „Cats“ und „Phantom der Oper“ entwarf, holte Cartwright als Assistentin der künstlerischen Leitung zu den „Cats“ im Londoner West End. Keiner kennt die Katzen so gut wie sie. Unzählige Produktionen auf der ganzen Welt hat sie begleitet. „Ja, ich kenne alle Dialoge auswendig“, sagt sie. Jenseits der bekannten Songs lebe das Stück von der Choreografie. „Die Geschichte wird im Tanz erzählt. Es braucht Ballett, Jazzdance, Akrobatik, und man muss lernen, sich wie eine Katze zu bewegen“, sagt die Choreografin.
Zu Beginn jeder Produktion krabbeln die Darsteller auf allen Vieren über die Bühne, um sich in den Katzenkosmos einzufühlen. „Wir müssen beobachten. Früher gingen wir dafür in den Zoo, heute schauen wir uns Videos im Internet an. Wir wollen Katzen imitieren, keine Karikatur aus ihnen machen“, sagt die Choreografin. Auch nach mehr als 40 Jahren, sagt sie: „Keine Produktion ist wie die andere. Das Storytelling wird jeweils den Darstellerinnen und Darstellern angepasst.“
Derzeit gehen die Katzen wieder Publikum „jagen“. In Deutschland startet der Musical-Klassiker seine Tournee am 10. April in Düsseldorf. Aber auch in Südafrika und Australien räkeln sich die „Cats“ dieses Jahr auf den Bühnen. Das Erfolgsgeheimnis ist für Cartwright leicht erklärt: „Das Stück trägt Magie in sich. Es spricht jeden an, Kinder und Erwachsene. Und es behandelt Themen, die heute aktueller sind, denn je: Erlösung, Verzeihen, Toleranz, Wohlwollen.
Nach mehr als 40 Jahren Arbeit mit den Katzen liebt die Choreografin den Song „Memory“ immer noch. „Er kommt nicht wie die meisten anderen Songs aus T.S. Eliots „Old Possum’s Book of Practical Cats“, sondern ist aus seinem Gedicht „Rhapsody of a Windy Night“ hervorgegangen“, erzählt die Choreografin. „,Memory’ ist so ein schönes Lied. Ich habe es höchstens kurz satt, wenn ich es an einem Tag in den Auditions 20 Mal gehört habe.“ Aber Pudding sollte man ja auch nicht morgens, mittags und abends essen.