Sorge vor Ausschreitungen Autonome versammeln sich zu „Welcome to Hell“
Hamburg (dpa) - Die Ruhe vor dem Sturm? Als sich am Nachmittag bei strahlendem Sonnenschein hunderte Menschen auf dem Hamburger Fischmarkt versammeln, ähnelt die Szenerie eher einem gelassen anmutenden Stadtteilfest.
Auf einer Bühne am Hafenrand werden mehr oder weniger aufmerksam verfolgte Reden gehalten, Bands spielen auf, darunter die szenebekannten Goldenen Zitronen. Wo sonst jeden Sonntagmorgen Marktschreier vornehmlich für Touristen Aale, Palmen, Obst und Gurkenschneider feilbieten, stehen jetzt Getränkestände und Imbissbuden.
Und doch ist es anders als sonst: Denn das Motto der Veranstaltung heißt „Welcome to Hell“ („Willkommen in der Hölle“) und die Teilnehmer entsprechen kaum dem gängigen Klischee fröhlicher Partyleute. Viele sind dunkel gekleidet. Aus ganz Europa sind sie angereist. Sie wollen den teilweise schon am Donnerstag zum G20-Gipfel nach Hamburg kommenden Staatschefs entgegentreten - und zwar auf gewaltsame Weise, wie sich Sicherheitsbehörden seit Wochen sicher sind.
Zumindest kündigten die Autonomen rund um das linksautonome Zentrum „Rote Flora“ als Veranstalter bereits an: „Im Gegensatz zur bürgerlichen Opposition werden wir den Herrschenden keine Alternativen vorschlagen, um das kapitalistische System am Leben zu erhalten.“ Ihr Motto lautet schlicht: „G20-Gipfel blockieren, sabotieren, demontieren!“ Als Vorgeschmack brannten bereits mehrere Polizeiautos in der Stadt.
Die Veranstalter erwarteten bis zu 10 000 Teilnehmer. Die Polizei ging davon aus, dass 8000 von ihnen gewaltbereit sind, also zum Beispiel ohne zu Zögern Steine und Flaschen auf Polizisten werfen, Schaufenster einschmeißen und Müllcontainer anzünden. Wobei unklar war, wie sich die aus anderen Ländern wie Griechenland, Frankreich oder Skandinavien angereisten Autonomen verhalten werden, die erfahrungsgemäß härter zulangen als die laut Verfassungsschutz etwa 1100 Menschen umfassende Hamburger linksextreme Szene.
Zunächst hält sich die Polizei an diesem Nachmittag zurück, zeigt aber eindeutig, was sie alles hat. Gleich mehrere Wasserwerfer sind aufgefahren, in schwerer Schutzmontur martialisch anmutende Beamte sichern das Terrain, auf der Elbe patrouillieren Polizeiboote.
Hamburgs Innensenator Andy Grote (SPD) hatte vor der Demonstration angekündigt, dass die Polizei gegebenenfalls hart durchgreifen würde. „Wir werden dort sehr auf einen friedlichen Verlauf achten. Und wenn es dort aus der Versammlung heraus zu Störungen kommt, dann wird es auch eine polizeiliche Reaktion darauf geben.“ Wie genau die aussehen könnte, ließ er offen. Ebenso beantwortete er nicht die Frage, was genau denn unter einer Störung zu verstehen sei.
Auf die Frage, ob die Polizei Vermummungen als Störungen betrachten werde, sagte er nur: „Grundsätzlich gilt: Mit Störungen aus dieser Demo heraus wird man dann entsprechend umgehen.“ G20-Einsatzleiter Hartmut Dudde - er gilt als Verfechter einer harten Linie - hatte in der Vergangenheit allerdings bereits erklärt, dass er Vermummungen nicht zulassen werde. „Das dürfen wir auch gar nicht.“
Trotz der massiven Sicherheitsbedenken wurde die Demonstration „Welcome to Hell“ ohne weitere Auflagen genehmigt. Dabei soll sie vom Fischmarkt über die Reeperbahn auf bis etwa 300 Meter an die Messehallen, den Veranstaltungsort des Gipfels, heranführen. Also so nah wie wohl keine andere der insgesamt rund 30 angekündigten Demonstrationen.
Angesichts solcher behördlicher Großzügigkeit machten Spekulationen die Runde, dass dahinter eine gezielte Strategie der Polizei steckt. Nach dem Motto: Sollen sich die Autonomen doch über die Durchsetzung ihrer Route freuen. Faktisch werden sie nichts davon haben, da der Zug den relativ einfach zu sichernden Fischmarkt ohnehin keinen Meter verlassen wird. Denn irgendeiner der Autonomen wird schon die Hasskappe aufhaben.