Bayern droht Merkel mit Verfassungsklage
Berlin (dpa) - Bayern droht Kanzlerin Angela Merkel (CDU) in der Flüchtlingskrise mit einer Verfassungsklage gegen den Bund.
Wenn die Bundesregierung nicht selbst die Initiative ergreift, um den Zustrom von Flüchtlingen zu begrenzen, will die Regierung von Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) dies vor dem Bundesverfassungsgericht durchsetzen. Wie die Staatskanzlei in München am Freitag ankündigte, will sich Bayern für diesen Fall auf das Argument berufen, der Bund gefährde durch Untätigkeit in der Flüchtlingskrise die „eigenstaatliche Handlungsfähigkeit der Länder“.
Der Flüchtlingskoordinator der Bundesregierung, Kanzleramtsminister Peter Altmaier, reagierte gelassen. Die Bundesregierung habe überhaupt keinen Anlass sich deswegen Gedanken zu machen, sagte der CDU-Politiker am Freitagabend in den ARD-„Tagesthemen“. „Denn wir sind überzeugt, dass wir auf dem Boden des Grundgesetzes handeln und dass es ja gerade das Grundgesetz ist, was uns dazu verpflichtet, den Menschen zu helfen, die in Not sind.“ Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) bezeichnete die angedrohte Klage als „heiße Luft“.
Die Ministerpräsidentenkonferenz in Bremen erkannte die besondere Belastung Bayerns an. Dort kämen die meisten Flüchtlinge über die Grenze. Bayern könne sich der Solidarität der Bundesländer versichert fühlen. Die Verteilung der Flüchtlinge auf die einzelnen Bundesländer nach dem „Königsteiner Schlüssel“ wird den Angaben zufolge aber durch logistische Probleme behindert.
Seehofer und sein Kabinett forderten darüber hinaus die Zurückweisung von Flüchtlingen direkt an der deutschen Grenze. Andernfalls drohte die Staatsregierung mit „anlassbezogenen eigenen Maßnahmen“. Innenminister Joachim Herrmann (CSU) nannte in diesem Zusammenhang die Möglichkeit, „dass man drei Meter hinter der Grenze jemand verhaften kann, wenn er sich illegal in Deutschland aufhält“.
Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) hält die bayerische Drohung mit einer Abweisung von Flüchtlingen an der deutsch-österreichischen Grenze für wenig hilfreich. Das Problem lasse sich dort sicher nicht nachhaltig und wirksam lösen, sondern vielmehr an den Außengrenzen Europas, sagte er. Zudem seien Hilfen für Länder notwendig, in denen es große Flüchtlingslager gebe, damit sich nicht weitere Menschen nach Deutschland aufmachten.
Vizekanzler Sigmar Gabriel und Außenminister Frank-Walter Steinmeier dringen in der Flüchtlingskrise auf eine europäische Lösung. In einem Beitrag für das Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ forderten beide SPD-Politiker feste Quoten für die Verteilung von Flüchtlingen in der EU sowie mehr Personal für die Sicherung der Außengrenzen.
Die Polizei registrierte dieses Jahr bereits mehr als 493 Straftaten gegen Flüchtlingsheime - mehr als doppelt so viele wie im gesamten Vorjahr. Dieser massive Anstieg beunruhige ihn, sagte Innenminister de Maizière den Zeitungen der Funke-Mediengruppe (Freitag). Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) sprach von einer „bitteren Bilanz“.
Auch in den oft überfüllten Flüchtlingsunterkünften reißt die Serie von gewalttätigen Auseinandersetzungen nicht ab. Zwei Asylbewerber wurden am Freitag in Baden-Württemberg lebensgefährlich verletzt, auch in Hamburg, Schwerin und Mannheim entlud sich die angespannte Stimmung abermals in Gewalt. Polizisten im thüringischen Ohrdruf wurden körperlich angegangen, als sie einen unter Missbrauchsverdacht stehenden Iraker abführen wollten.
Die EU hat inzwischen mit der Umverteilung von Flüchtlingen aus Italien und Griechenland auf andere Staaten begonnen. Insgesamt sollen 160 000 Flüchtlinge aus diesen besonders stark betroffenen Ländern in andere Staaten gebracht werden.
Schweden, ähnlich wie Deutschland das Ziel vieler Migranten, spricht mit Blick auf die Flüchtlingssituation von „einer der größten humanitären Einsätze“ in der Geschichte des Landes. Stockholm rechne in diesem Jahr mit mehr als 150 000 Asylbewerbern. Die Niederlande wollen angesichts wachsender Proteste in der Bevölkerung gegen Massenunterkünfte in den kommenden Monaten extra Unterkünfte für rund 10 000 Flüchtlinge bereitstellen - bevorzugt für kleinere Gruppen.