Beate Zschäpe hat sich entschuldigt? „Zum Totlachen!“
Köln (dpa) - Was er davon hält, dass sich Beate Zschäpe entschuldigt hat? Konditormeister Servet Özdag muss kichern. „Zum Totlachen!“ Die beiden Kundinnen, die gerade die mehrstöckigen Torten in der orientalischen Feinkonditorei Özdag in der Kölner Keupstraße bewundern, halten kurz inne.
Und nicken.
Elf Jahre ist es her, seit schräg gegenüber auf der anderen Straßenseite eine Nagelbombe explodierte. 22 Menschen wurden verletzt. Und jetzt eine Entschuldigung? „Wenn die's ernst gemeint hätte, dann hätte sie's am ersten Prozesstag gesagt und dabei geheult wie ein Schlosshund.“
Ein Kunde kommt herein. „Was sollen sie mit Beate Zschäpe machen, Hermann?“, ruft Özdag ihm zu. Und ohne eine Erwiderung abzuwarten, gibt er selbst die Antwort: „In die Türkei schicken, oder?“ Donnerndes Gelächter. Özdag, ein gemütlicher, 37 Jahre alter Mann, ist in Deutschland geboren, hat einen deutschen Pass und spricht perfekt Deutsch. „Früher hab' ich gesagt: Wenn Deutschland in den Krieg zieht, werde ich an vorderster Front für Deutschland kämpfen. Heute sag' ich: Bullshit.“
Es war nicht der Anschlag selbst, der sein Vertrauen in den deutschen Staat zerstört hat. „Dass ein Idiot eine Bombe zündet - gut, das kann überall passieren. Aber dass der Verfassungsschutz da mit drinhängt, das macht mir Angst.“ Er spielt damit auf wiederholt geäußerte Vermutungen an, Geheimdienstler und andere Ermittler hätten von den Umtrieben der Rechtsterroristen schon früh Kenntnis gehabt, ohne einzuschreiten.
Jetzt mischt sich auch eine Frau ein, die sich gerade ein Sortiment an Keksen zusammenstellt: „Das Schlimmste war doch, dass sie uns gegeneinander aufgehetzt haben!“ Sieben Jahre glaubte die Polizei nicht an einen terroristischen Hintergrund des Anschlags, sondern tippte stattdessen auf Schutzgelderpressung oder eine Familienfehde.
Erst Ende 2011 stellte sich heraus, dass die NSU-Terroristen Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt auch für diesen Anschlag verantwortlich waren. „Fast hätten wir den Mist noch selber geglaubt“, erinnert sich Özdag an die ursprünglichen Theorien der Ermittler. „Aber ich konnte es mir nicht vorstellen, ich bin in dieser Straße aufgewachsen.“
Es ist viel los in der Konditorei an diesem Mittwochvormittag. „Ich will heiraten“, verkündet eine junge Frau, „und dafür brauch ich Torten.“ Özdag streckt die Hand aus: „Herzlichen Glückwunsch, dann bist du hier richtig.“ Momente später der Hinweis: „Die Zschäpe sagt heute aus.“ - „Ja, ich weiß.“
In der Konditorei kaufen Deutsche und Türken ein, aber auch ein Mann, der Wert darauflegt, dass sein Vater Kurde ist, und eine Polin, die ihre Kollegin zum Geburtstag überraschen will. Was Özdag Mut gemacht hat in den letzten Jahren, waren die vielen Kölner, die sich gegen Rassismus engagiert haben. „Die normalen Leute, weißt du. Von denen haben wir viel Unterstützung bekommen.“
Wieder sucht eine Kundin eine ganz spezielle Torte. Özdag zeigt ihr Bilder, sie wirkt angetan. Nur ein Modell gefällt ihr nicht: „Die Figuren da obendrauf sehen aus wie Monster.“ Özdag spielt den Empörten: „Monster? Die haben wir hier nicht! Die gibt's nur beim NSU. Und vielleicht noch beim Verfassungsschutz.“