Becker: Von der RAF-Terroristin zur Heilpraktikerin

Berlin (dpa) - Seit September 2010 steht Verena Becker in Stuttgart vor Gericht. Im Gerichtssaal trägt die frühere RAF-Terroristin eine Sonnenbrille, und als einzige darf sie während der Verhandlung trinken - die 59-Jährige leidet an einer Autoimmunerkrankung, ihre Augen sind lichtempfindlich und ihr Mund ist trocken.

Die meiste Zeit verfolgt sie den Prozess schweigend - erst am 89. Verhandlungstag gibt sie eine Erklärung ab: Sie sei zur Zeit des Anschlags auf Buback im Nahen Osten gewesen.

Becker wird am 31. Juli 1952 in Berlin geboren. Der Vater stirbt früh, die Mutter muss ihre zehn Kinder alleine durchbringen. Nach Abschluss der Realschule zieht Becker von zu Hause aus, lebt von Gelegenheitsarbeiten. Mit 19 Jahren schließt sie sich der terroristischen „Bewegung 2. Juni“ an. 1972 beteiligt sie sich an einem Bombenanschlag, bei dem ein Mensch ums Leben kommt.

1974 wird Verena Becker zu sechs Jahren Jugendstrafe verurteilt. Ein Jahr später pressen Terroristen der „Bewegung 2. Juni“ sie im Austausch gegen den entführten CDU-Politiker Peter Lorenz frei. Becker wird in den Jemen ausgeflogen. In einem Militärlager trainiert sie den Kampf mit Waffen und lernt Mitglieder der „Rote Armee Fraktion“ kennen. Sie schließt sich der RAF an.

Am 3. Mai 1977, vier Wochen nach dem Anschlag auf Siegfried Buback, werden Verena Becker und Günter Sonnenberg in Singen verhaftet. Bei der Festnahme liefern sie sich eine Schießerei mit Polizisten. Im Dezember 1977 verurteilt das OLG Stuttgart Becker wegen der Schießerei zu lebenslanger Haft wegen mehrfachen Mordversuchs. Bei der Urteilsverkündung tritt sie Vollzugsbeamte. Sie schreit: „Ich bin nicht bereit, mir dieses Urteil anzuhören!“ Schließlich wird sie von der Verkündung ausgeschlossen.

Im Gefängnis soll Becker Kontakt zum Verfassungsschutz gehabt haben. 1989 wird sie vom damaligen Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker begnadigt. Sie lässt sich in Berlin nieder und macht eine Ausbildung zur Heilpraktikerin. Erst 2009 entdecken die Ermittler DNA-Spuren Beckers an Briefumschlägen der Bekennerschreiben, die nach dem Mord an Buback verschickt wurden.