Große Verunsicherung Berlin hofft auf Clinton und fürchtet Trump

Berlin (dpa) - Die Nacht zum Dienstag war für ein paar hundert Leute in Berlin deutlich früher zu Ende als gewöhnlich. Wegen des TV-Duells zwischen den US-Präsidentschaftskandidaten Hillary Clinton und Donald Trump hatten sich viele aus dem deutschen Politbetrieb den Wecker auf kurz vor drei gestellt.

Zwar gab es noch keine großen Wahlpartys; die meisten schauten im Bett oder auf der Couch. Aber auch so war man sich im Urteil einig: klarer Sieg für die Demokratin. Zudem verstärkte der Republikaner mit seinem aggressiven Auftritt nochmals die Vorbehalte, die es in Deutschland gegen ihn ohnehin schon in Hülle und Fülle gibt. Die Einschätzungen von Koalition und Opposition unterscheiden sich kaum.

SPD-Chef Sigmar Gabriel zog das Fazit: „Trump hat keinen Plan - weder für die USA geschweige denn für die großen außenpolitischen Herausforderungen.“ Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses, Norbert Röttgen (CDU), urteilte: „Man sieht seinen Charakter, und der verspricht nichts Gutes.“ Grünen-Chef Cem Özdemir freute sich über einen „Triumph der Seriosität über gefährliches Halbwissen und Arroganz“.

Mit ihrem Urteil befindet sich die Berliner Politik durchaus im Einklang mit dem Großteil der Bevölkerung. Nach einer Umfrage würden von den Deutschen 82 Prozent für die ehemalige Außenministerin und First Lady stimmen, nur fünf Prozent für Trump. In Deutschland sind die demokratischen Kandidaten seit den Zeiten von John F. Kennedy immer schon beliebter. Aber so groß war der Vorsprung noch nie.

Trotz Clintons klarem Erfolg ist in Berlin die Sorge vor einem Präsidenten Trump nicht geringer geworden. Vor einem Jahr hätte von den deutschen USA-Experten keiner groß darauf gewettet, dass der Immobilien-Milliardär offizieller Kandidat werden könnte. Seit seinem Durchmarsch bei den Vorwahlen schließt kaum noch jemand aus, dass Trump auch Präsident werden könnte. Man traut dem eigenen Urteil nicht mehr so sehr. Die Verunsicherung ist groß.

Auch Sylke Tempel von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP) warnt, Clinton jetzt - sechs Wochen vor der Wahl - zur klaren Favoritin zu erklären: „Trump kann machen, was er will. Je frecher und unangenehmer er wirkt, desto besser kommt er bei seinen Anhängern an.“ Und: „Das Irre an ihm ist: Er kommt aus seiner Haut nicht raus. Er glaubt tatsächlich, dass er mit seiner Persönlichkeit überzeugt.“

Die Bundesregierung bereitet sich vorsichtshalber auf beide Fälle vor. Offiziell hält sich Angela Merkel aus dem US-Wahlkampf heraus. Aber dass die Kanzlerin Clinton den Vorzug gäbe, ist klar. Frank-Walter Steinmeier nannte Trump - bar jeder diplomatischen Zurückhaltung - sogar einen „Hassprediger“. Längst gibt es Kontakte zu möglichen Außenministern einer Clinton-Regierung wie den (nicht miteinander verwandten) Diplomaten Nicholas und William Burns.

Die Versuche, auch mit dem Trump-Lager diskret ins Gespräch zu kommen, blieben bislang hingegen ziemlich fruchtlos. DGAP-Expertin Tempel sagt: „Man kann gar nicht mit seinen Leuten sprechen, weil es seine Leute gar nicht gibt. Wer könnte Außenminister von Trump werden? Kein Mensch weiß das.“ Zu den wenigen Leuten aus seiner Umgebung, mit denen gesprochen wurde, gehört der Diplomat Richard Burt, der zwischen 1985 und 1989 Botschafter in Deutschland war.

So hoffen in Berlin praktisch alle darauf, dass sich das Thema Trump am 8. November von selbst erledigt. Es gab in den vergangenen Tagen aber auch eine Stimme, die sich von der allgemeinen Stimmung unterschied: Gerhard Schröder. Der Altkanzler lässt ebenfalls keinen Zweifel daran, dass ihm Clinton lieber wäre. Er warnt aber auch davor, über Trump „vorschnell“ zu urteilen.

„Es gab doch schon mal so eine ähnliche Situation, mit Ronald Reagan im Jahr 1980“, meint der ehemalige SPD-Chef. „Da wurde vor seiner Wahl gesagt: „Das ist ein Schauspieler, der kann’s nicht.“ Und dann war er ein Präsident, der vor allem im Verhältnis zur damaligen Sowjetunion, aber auch bei der Wiedervereinigung, Erstaunliches geleistet hat.“