Fragen und Antworten Brexit: Gelingt endlich der erste Durchbruch?
Brüssel (dpa) - Ab Montag soll endlich klarer werden, wie es mit dem Brexit weiter geht. Die Verhandlungen über den für 2019 geplanten EU-Austritt Großbritanniens treten seit Monaten auf der Stelle.
Doch in den nächsten Tagen könnte die erste große Hürde genommen werden. Ob dies gelingt?
Worum geht es?
Großbritannien will 2019 aus der Europäischen Union, dem Binnenmarkt und der Zollunion ausscheiden, um mehr Spielraum in der Migrations-, Handels- und Finanzpolitik zu bekommen. Premierministerin Theresa May strebt aber auch künftig eine „besondere Partnerschaft“ mit der EU an, vor allem sehr enge Handelsbeziehungen. Darüber will sie verhandeln, aber vorher verlangt die EU Zusagen in drei Punkten: London soll für gemeinsam eingegangene Verpflichtungen auch nach dem Brexit Milliarden nach Brüssel überweisen; EU-Bürger in Großbritannien sollen weiter ohne Einschränkungen dort leben dürfen. Und das EU-Mitglied Irland soll nicht durch eine Grenze vom britischen Nordirland getrennt werden.
Was passiert am Montag?
EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker bespricht sich vormittags (11.00 Uhr) zunächst mit Abgeordneten des Europaparlaments. Dann will er bei einem Mittagessen mit May in Brüssel (13.15 Uhr) eine Bilanz der bisherigen Brexit-Verhandlungen ziehen. Sowohl Juncker als auch EU-Ratspräsident Donald Tusk haben London eine klare Frist bis zum 4. Dezember gesetzt, also bis Montag. Gibt es bis dahin „ausreichende Fortschritte“, könnte die EU-Kommission am Mittwoch den Start der Verhandlungen über die künftige Partnerschaft empfehlen. Den Beschluss würde dann der EU-Gipfel am 14. und 15. Dezember treffen. Sieht die EU diese Fortschritte nicht, müssten die seit Juni laufenden Gespräche eine weitere Ehrenrunde drehen. Eine solche Verzögerung würde wohl die Wirtschaft beidseits des Kanals noch nervöser machen, die ohnehin wegen der Brexit-Unsicherheit besorgt ist.
Wie stehen die Chancen auf Einigung?
EU-Diplomaten gaben sich zuletzt zuversichtlich, denn bei zwei von drei Knackpunkten sah es gut aus. Für die sogenannte Schlussrechnung hat London nach EU-Angaben ein Angebot für langfristige Zahlungen zum Beispiel für Beamtenpensionen und andere Haushaltsposten vorgelegt. Schätzungen gehen von bis zu 55 Milliarden Euro aus. Bei der Finanzfrage scheine „eine Klärung am Montag möglich“, sagt der CDU-Europaabgeordnete und Brexit-Beauftragte Elmar Brok. Auch bei den von der EU gewünschten rechtlichen Garantien für EU-Bürger in Großbritannien sei eine Einigung erreichbar. Als besonders schwierig galt indes bis zuletzt die Irland-Frage.
Wo liegt das Problem?
Die Republik Irland bleibt EU-Mitglied, während Nordirland mit Großbritannien die Gemeinschaft verlässt. Zwischen beiden verläuft also künftig eine EU-Außengrenze. Wenn auf beiden Seiten unterschiedliche Zölle, Regeln und Vorgaben gelten, müssen Waren und Personen an der Grenze eigentlich kontrolliert werden. Das gilt aber als politisch heikel. Denn erst das Zusammenwachsen der Insel in einem gemeinsamen Wirtschaftsraum hat die früher so ausgeprägten Konflikte zwischen irischen Nationalisten und probritischen Unionisten gelindert. Die irische Regierung will deshalb, dass sich vor Ort im Alltag nichts ändert.
Wie soll das funktionieren?
Das können auch Experten im Moment nicht sagen. Alle diskutierten Optionen treffen auf Widerstände. So brachte Großbritannien „technologiebasierte Lösungen“ ins Spiel, etwa die Überwachung mit Drohnen und Zollkontrollen im Hinterland. Doch das bezeichnet selbst der Brexit-Ausschuss im britischen Parlament als „ungetestet und teilweise spekulativ“. Auch Irland sieht darin keine Lösung. London wiederum wehrt sich dagegen, Nordirland einen Sonderstatus zu geben und zum Beispiel im Binnenmarkt und in der Zollunion zu lassen. Das wäre insbesondere für die nordirische Partei DUP inakzeptabel, auf deren Stimmen May im britischen Parlament angewiesen ist. Eine echte Lösung kann es wohl nur im Zusammenhang mit der künftigen Handelspolitik geben - oder wenn sich Großbritannien dazu entscheiden würde, komplett in der Zollunion zu bleiben. Als Zwischenetappe fordert Irland vorerst eine schriftliche Garantie. Bis zuletzt waren Diplomaten in Brüssel nicht sicher, wie diese aussehen könnte.