Castor-Zug vor letzter Schienenetappe
Gorleben (dpa) - Der erste Advent hat im niedersächsischen Wendland alles andere als besinnlich begonnen: Die ganze Nacht zum Sonntag haben Schienen- und Straßenblockaden von Castor-Gegnern die Polizei beschäftigt.
Mindestens 3000 Demonstranten harrten rund zwölf Stunden lang auf den Bahngleisen der Castor-Strecke aus, um dem Atommüll-Transport nach Gorleben den Weg zu versperren.
Gegen drei Uhr nachts habe die Polizei mit der Räumung der Sitzblockade in einem Waldstück bei Hitzacker begonnen, sagte ein Polizeisprecher am Sonntagmorgen in Lüneburg. Zwei Kletterer haben sich dort laut Polizei zudem auf Bäumen an der Strecke festgekettet. Beamte versuchten sie herunter zu holen. Der Zug mit hochradioaktivem Atommüll wartet derweil seit mehr als zwölf Stunden am Güterbahnhof Maschen bei Hamburg - rund 100 Kilometer von seinem Ziel Gorleben entfernt.
Mit schwerem technischen Gerät musste die Polizei in der Nacht und am Morgen ausrücken, um Menschen von den Gleisen befreien. Vier Atomkraftgegner machten sich an den Bahngleisen zwischen Lüneburg und Dannenberg mit einer Rohrvorrichtung fest. Je ein Arm stecke in einem Betonblock, der unter den Gleisen verankert ist, hieß es von den Castor-Gegnern. Mit einem Presslufthammer versuche die Polizei sie zu befreien. „Das wird uns noch länger beschäftigen“, sagte ein Polizeisprecher. „Das ist eine nicht einfache Konstruktion.“
Eine weitere Aktion von sieben Greenpeace-Mitgliedern hatte die Polizei in der Nacht zum Sonntag nach sechs Stunden beendet. Auch sie hatten sich an den Gleisen angekettet. Arbeiter entfernten ein gut zehn Meter langes Stück der Gleise und lösten so die Atomgegner von den Schienen. Nach Reparaturen war die Strecke wieder befahrbar.
Ausgerüstet mit Strohsäcken und Wärmefolien hatten die Sitzblockierer seit Samstagnachmittag stundenlang an den Gleisen ausgeharrt. Mit Musik und frischen Waffeln vertrieben sie sich während der Sitzblockade die Zeit - Kerzen und Lagerfeuer sorgten für Stimmung. Seit Sonntagmorgen wurden die Demonstranten einzeln von Polizisten von den Gleisen getragen, um den Weg für den Atommüllzug frei zu machen.
Abseits der Bahngleise errichteten Atomkraftgegner in der Nacht zahlreiche Straßenbarrikaden: Die Polizei musste Bäume, Reifen, Sand und Kartoffelkisten von den Straßen räumen. „Wir lassen uns von den Aktionen nicht aus der Ruhe bringen“, sagte ein Polizeisprecher. „Wir haben schließlich schon ein bisschen Routine mit den Demonstrationen beim Castor.“
Der Castor-Transport mit hochradioaktivem Atommüll war am Mittwoch in Frankreich zum rund 1200 Kilometer entfernten Zwischenlager in Gorleben gestartet. Der Zug hatte am Abend über eine nördliche Route den Güterbahnhof Maschen angesteuert und dort vorerst pausiert. Die Polizei hat nun begonnen, den Weg zur Verladestation nach Dannenberg frei zu machen - dort sollen die elf Behälter auf Speziallastwagen umgeladen werden und nach Gorleben fahren. Wann der Zug seine Fahrt fortsetzen wird, war am Sonntagmorgen noch unklar.
Starker Wind könnte erstmals das Umladen der Castor-Behälter von der Schiene auf Lastwagen in Dannenberg verzögern. Meteorologen sagten heftige Windböen voraus. Der Kran, mit dem die Castorbehälter vom Zug auf Lastwagen umgeladen werden, wird nur bis Windstärke 7 eingesetzt. Sollte diese Stärke überschritten werden, werde das Verladen der rund sechs Meter langen und rund 120 Tonnen schweren Behälter eingestellt, sagte am Abend der Sprecher des Zwischenlagerbetreibers, der Gesellschaft für Nuklear-Service (GNS).
Im Laufe des Samstags stürmten Castorgegner an mehreren Orten die Schienen und entfernten Steine aus dem Gleisbett. Dies wird von Aktivisten „Schottern“ genannt. Die Einsatzkräfte gingen in den unübersichtlichen Waldgebieten massiv gegen die „Störer“, wie sie von der Polizei bezeichnet werden, vor. Etlich Aktivisten wurden festgenommen. Die Beamte wurden laut Polizei zudem mit Steinen und Böllern angegriffen. An einer anderen Stelle hatten Atom-Gegner die Schienen verbogen.
In Dannenberg protestierten am Samstag mehrere tausend Kernkraftgegner aus ganz Deutschland friedlich und farbenfroh gegen die Atompolitik der Bundesregierung. Zu der zentralen Kundgebung in der Nähe des Verladebahnhofes kamen nach Polizeiangaben rund 8000 Menschen. Die Bürgerinitiativen sprachen dagegen von mehr als 23 000 Teilnehmern.