Commerzbank-Experte nimmt Ratingagenturen in Schutz
Passau (dpa) - Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer hat die Ratingagenturen in Schutz genommen und vor einer Zerschlagung der privaten Marktbeobachter gewarnt.
„Rating-Agenturen sind nicht perfekt. Aber letztlich sind sie wie ein Fieberthermometer. Sie messen das Fieber, sie verursachen es nicht. Man zertrümmert nicht das Thermometer, um die Krankheit zu kurieren“, sagte Krämer der „Passauer Neuen Presse“.
Zu einer möglichen europäischen Ratingagentur sagte Krämer: „Eine europäische Rating-Agentur wäre eine feine Sache, denn Konkurrenz belebt das Geschäft. Aber die Staaten sollten sie weder direkt oder indirekt finanzieren, sonst würde ein solches Institut sofort im Verdacht stehen, den Europäern geschönte Bonitätsnoten auszustellen.“
Am Mittwoch hatte die Ratingagentur Moody's die Kreditwürdigkeit Irlands auf „Ramschniveau“ herabgestuft. Die Agentur Fitch senkte später die Bewertung der griechischen Bonität um drei Schritte.
Krämer wirft der EU vor, die jetzige Zuspitzung bei der Bonitätsbewertung selbst mitverursacht zu haben. „Die Staatengemeinschaft ist sehr langsam. Auf ihrem Gipfeltreffen am 20. Juni hatten die europäischen Finanzminister angekündigt, das zweite Rettungspaket für Griechenland bis Anfang Juli beschlossen zu haben. Jetzt warten wir immer noch darauf. Diese Verzögerungen sind ein Grund dafür, warum die Risikoaufschläge für spanische und italienische Anleihen in den zurückliegenden Tagen deutlich gestiegen sind.“