Fragen und Antworten Das Dieselproblem: Kein Grund zum Aufatmen für Stadtbewohner
Berlin/Dessau-Roßlau (dpa) - Dicke Luft in Deutschland: An vielen Straßen ist die Belastung mit Schadstoffen zu hoch. Das Umweltbundesamt hat die Luft-Daten für 2016 zusammengestellt und schlägt Alarm: Vor allem Stickstoffdioxid bleibt ein Problem.
Was haben die Messungen ergeben?
An 57 Prozent der Stationen an stark befahrenen Straßen lagen die Stickstoffdioxid-Werte im Jahresmittel über dem erlaubten Grenzwert von 40 Mikrogramm pro Kubikmeter - nur minimal weniger als im Vorjahr. Schuld sind dem Umweltbundesamt zufolge vor allem Diesel-Autos. Die Belastung mit Feinstaub und Ozon war im vergangenen Jahr vergleichsweise moderat, das lag aber auch am Wetter.
Warum ist Stickstoffdioxid ein Problem?
Stickstoffdioxid kann Schleimhäute angreifen, zu Atemproblemen oder Augenreizungen führen sowie Herz und Kreislauf beeinträchtigen. Pflanzen werden von Stickstoffoxiden auch geschädigt: Die Stoffe sind giftig für Blätter und sie überdüngen und übersäuern die Böden. Nach Angaben der Europäischen Umweltagentur hat Sickstoffdioxid in Deutschland 10 400 Todesfälle im Jahr 2012 verursacht. Neuere Zahlen gebe es noch nicht, sagt Annette Peters, Direktorin des Instituts für Epidemiologie II am Helmholtz Zentrum München. Die Forschung bestätige die Gesundheitsrisiken. Allerdings gehöre zur Wahrheit auch, dass die Luft heute sauberer sei als vor 30 Jahren.
Wie kann man sich schützen?
Handelsübliche Atemmasken helfen nicht gegen die Gase. Ein gesunder Lebensstil, gesunde Ernährung und ausreichend Bewegung können die schädliche Wirkung aber ausgleichen, sagt Peters. Denn Stickstoffdioxid löse keine spezielle Erkrankung aus, der Körper reagiere eher allgemein mit Entzündungen und Reizungen.
Was wird gemacht, um die Belastung zu senken?
Es gibt in Deutschland 54 Umweltzonen, in 53 davon dürfen nur Autos mit „Grüner Plakette“ hineinfahren. Die Abgas-Normen für Autos in der EU werden strenger - aber nur auf dem Papier, klagen Umweltschützer, denn im Fahrbetrieb ist das Abgas oft sehr viel schmutziger als auf dem Prüfstand. Deswegen gibt es jetzt auch neue Tests für Autos auf der Straße. Außerdem setzen Städte zum Beispiel auf Tempolimits oder Durchfahrtverbote für Lastwagen. Stuttgart versucht es im Kampf gegen Feinstaub nun auch mit einer Mooswand.
Wie sieht es aus mit Fahrverboten oder der „Blauen Plakette“?
Da kommen Verkehrsminister und Umweltministerin bisher auf keinen gemeinsamen Nenner. Barbara Hendricks (SPD) will Kommunen die Möglichkeit geben, selbst über Fahrverbote für Diesel zu entscheiden. Aber sie müsste sich mit Alexander Dobrindt (CSU) einig werden, da die beiden gemeinsam zuständig sind. Die „Blaue Plakette“ für besonders saubere Autos liegt auf Eis. Auch andere Vorschläge, wie Fahrverbote für alle Diesel in einzelnen Straßen, stießen auf Widerstand. Im Umweltministerium heißt es, Dobrindt sei am Zug.
Was sagt die EU dazu, dass Deutschland die Grenzwerte reißt?
Brüssel hat schon im Sommer 2015 ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland eingeleitet, weil die Stickstoffdioxid-Belastung in 29 Regionen zu hoch ist. Dazu gehören die meisten großen Städte, etwa Berlin, Hamburg, München, Köln, Frankfurt und Dortmund. Bisher gab es aber nur ein Mahnschreiben, keine weiteren formellen Schritte.
Haben andere Länder das Problem auch, und was tun sie?
Klar, andere Länder haben auch damit zu kämpfen, allein in der EU haben zwölf Länder Probleme mit Grenzwerten. China schreckt die Autobranche mit einer E-Auto-Quote für Hersteller auf. Die Pariser Bürgermeisterin will Diesel-Fahrzeuge bis 2020 komplett aus der Stadt haben. Norwegen will über Steuern Diesel und auch Benzin teurer machen, um den Verkauf von E-Autos anzukurbeln. In Oslo dürfen private Diesel schon nicht mehr fahren, wenn die Luft schlecht ist.