Trumps ungeliebtes Gesetz US-Sanktionen gegen Moskau schaffen neue Unsicherheit
Washington/Moskau (dpa) - Die USA und Russland steuern mit dem neuen Gesetz über verschärfte Sanktionen in eine unsichere Phase ihrer Beziehungen. In dem Gesetz ballen sich US-Innenpolitik und Wirtschaftsinteressen, internationale Konflikte mit Russland, Iran und Nordkorea.
Auch das Verhältnis der USA zu den europäischen Verbündeten ist betroffen, der deutschen Wirtschaft könnten wegen ihrer Energiegeschäfte mit Russland Probleme drohen - genau sind die Auswirkungen des Gesetzes noch gar nicht abzusehen.
Russland rechnet aber mit einer Jahre oder gar Jahrzehnte dauernden Belastung des Verhältnisses. Trotzdem fiel die Reaktion in Moskau merkwürdig zurückhaltend aus, als US-Präsident Donald Trump das Gesetz mit seiner Unterschrift in Kraft setzte. „Es gibt nichts Neues“, sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow knapp. Tage vorher war die Führung von Präsident Wladimir Putin Sturm gelaufen gegen das Gesetz.
Nun wurden die harten Worte dem außenpolitisch zweitrangigen Regierungschef Dmitri Medwedew überlassen. „Russland ist umfassend der Handelskrieg erklärt worden“, schrieb der auf Facebook. Trotzdem werde Moskau weiter ruhig am Ausbau seiner Wirtschaft arbeiten.
Auch Trump war in den vergangenen Tagen seltsam still, was die Sanktionen anging. Kein Wort verlor er auf Twitter über Putins Ankündigung, die USA müssten ihr Botschaftspersonal in Russland drastisch reduzieren. Der Präsident, der sonst kaum vor einem Kommentar in 140 Zeichen zurückschreckt, fasste das Thema nicht an.
Das Gesetz selbst - immerhin das bislang bedeutendste seiner Amtszeit - unterzeichnete er im Stillen. Kameras waren nicht dabei. Die Vorschau des Weißen Hauses erwähnte den Termin nicht einmal.
Anschließend veröffentlichte die Regierungszentrale eine verärgerte Erklärung Trumps. Das Gesetz enthalte „gravierende Fehler“, es beschränke seine Macht, Verhandlungen zu führen. Der Präsident störte sich daran, dass er die Sanktionen nicht mehr ohne Zustimmung des Parlaments aufheben kann. Trump warf dem Kongress deswegen vor, seine Kompetenzen zu überschreiten. „Die Schöpfer unserer Verfassung haben die Außenpolitik in die Hände des Präsidenten gelegt. Dieses Gesetz wird die Weisheit dieser Entscheidung belegen.“
Trump distanzierte sich so von der Maßnahme und näherte sich der russischen Sichtweise an: Nicht der US-Präsident trägt die Verantwortung für eine Eskalation; es ist der Kongress. „Das US-Establishment hat Trump reingelegt“, schrieb Medwedew in Moskau.
Trump legte am Donnerstag nach, auf Twitter erklärte er erbost: „Unsere Beziehung zu Russland befindet sich auf einem sehr gefährlichen Tiefstand. Ihr könnt Euch beim Kongress bedanken, denselben Leuten, die uns nicht mal eine Gesundheitsversorgung geben können.“
Die Sanktionen offenbaren eine schleichende Entfremdung zwischen Trump und seiner Partei. Die Republikaner, die traditionell für eine harte Linie gegenüber Moskau stehen, werden zunehmend ungeduldig mit ihrem Präsidenten, der in Bezug auf Russland in den vergangenen Monaten widersprüchliche Signale aussendete. Mal hieß es, Trump wolle eine Lockerung der Sanktionen prüfen. Mal hieß es, er wolle die Maßnahmen verschärfen. Erkenntnisse von Geheimdiensten, die Russland für die Hackerangriffe während des Wahlkampfes verantwortlich machen, hat er wiederholt angezweifelt. In den Ermittlungen dazu sieht er eine „politische Hexenjagd“ gegen sich.
In Zeiten, in denen ein Sonderermittler mögliche Absprachen zwischen Trumps Wahlkampflager und dem Kreml prüft und wöchentlich neue Enthüllungen bekannt werden, nehmen die Konservativen den Präsidenten lieber an die Kandare.
Der Umgang mit dem Gesetz zeigt aber auch, dass es selbst innerhalb der Regierung keine einheitliche Linie in der Russland-Frage gibt.
Trumps Vize Mike Pence, ein Republikaner alter Schule, reiste dieser Tage durch mehrere osteuropäische Länder. Überall betonte er, dass er Moskau als großen Unruhestifter erachte. Glaubt man seinen Worten, dann sprechen Trump und der Kongress bei den Sanktionen mit „vereinter Stimme“. Außenminister Rex Tillerson erklärte dagegen auf einer Pressekonferenz, weder der Präsident noch er selbst seien sehr glücklich über das Gesetz. Die Sanktionen seien nicht hilfreich.
Es ist Tillerson überlassen, dem Kreml Trumps Sicht auf die Dinge darzulegen. Er wird sich am Wochenende mit seinem russischen Kollegen Sergej Lawrow treffen. Dessen Ministerium rief die „amerikanischen Liebhaber von Sanktionen“ dazu auf, sich von der Illusion zu verabschieden, Russland ließe sich unter Druck setzen.
Demonstrativ gelassen gab sich auch Igor Setschin, Chef des größten russischen Ölkonzerns Rosneft. Seine Branche ist von den US-Strafmaßnahmen besonders betroffen. „Wir werden so arbeiten, dass die Auswirkungen der Sanktionen möglichst gering bleiben“, sagte er.