Das K-Wort als Tabu: Zieht die Bundeswehr in einen Krieg?
Berlin (dpa) - Es gibt viele Wörter für einen Krieg, den man nicht so nennen will. Bundeskanzlerin Angela Merkel spricht von einem „militärischen Einsatz“.
Außenminister Frank-Walter Steinmeier geht immerhin so weit, dass die Bundeswehr in Syrien in eine „militärische Auseinandersetzung“ eingreift. „Bewaffneter Konflikt“ und „Unterstützungseinsatz“ kann man auch sagen. „Solidaritätsmission“ wäre auch noch eine Idee. Das ist dann aber vielleicht doch zu viel der Verharmlosung.
Auf jeden Fall ist das K-Wort für die Bundesregierung tabu. Sie hat ihre Gründe dafür. Deutschland sei nicht im Krieg, „weil wir keinen Staat bekämpfen“, sagt Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU). Vizekanzler Sigmar Gabriel sieht das ähnlich. Seiner Meinung nach würde man den IS mit dem Kriegsbegriff quasi informell als Staat anerkennen. „Ich will dem IS nicht noch die Ehre geben, sein Selbstverständnis zu übernehmen“, sagt der SPD-Chef.
Die Kriegsdefinition der Bundesregierung ist zwar juristisch korrekt, aber dennoch etwas altmodisch. Die 1899 vereinbarte und 1907 überarbeitete Haager Landkriegsordnung ging davon aus, dass Kriege von Staaten geführt werden. Ausdrücklich formuliert wird das in dem Dokument allerdings nicht. Es war das erste umfassende Regelwerk für die Kriegführung, das unter anderem die Behandlung von Kriegsgefangenen, die Wahl der Waffen oder den Einsatz von Spionen betraf. Spätere Konventionen des Völkerbunds und der Vereinten Nationen bauten darauf auf.
Im 21. Jahrhundert gibt es die zwischenstaatlichen Kriege aber kaum noch. Das Heidelberger Institut für Konfliktforschung zählte 2014 weltweit 21 Kriege. In keinem einzigen bekämpften sich zwei Staaten. In der Liste finden sich nur Kriege innerhalb von Staaten, beispielsweise zwischen der nigerianischen Regierung und der islamistischen Terrororganisation Boko Haram, zwischen pro-russischen Separatisten und Regierungstruppen in der Ostukraine oder eben der Bürgerkrieg in Syrien mit seinen inzwischen 300 000 Toten.
Die Bundeswehr wird sich an der Bekämpfung einer Partei in diesem Bürgerkrieg beteiligen und wird damit Teil dieses Krieges. So kann man es jedenfalls unabhängig von allen formaljuristischen Definitionen auch sehen. In der Alltagssprache gilt es ohnehin als Krieg, wenn Flugzeuge Bomben über Städten abwerfen.
Die Diskussion über die Wortwahl ist nicht neu. Die Afghanistan-Mission der Bundeswehr galt der deutschen Politik lange Zeit als „Stabilisierungseinsatz“. Die deutschen Soldaten wurden als Friedenstruppe verstanden. Erst als die Gewalt eskalierte, änderte sich das. Nach dem „schwarzen Karfreitag“ 2010, als in der nordafghanischen Unruheprovinz Kundus drei Soldaten in einem stundenlangen Gefecht getötet wurden, sprach Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg als erster deutscher Spitzenpolitiker unumwunden von Krieg. Die Soldaten waren ihm dankbar dafür. Für sie bedeutete das Anerkennung ihrer Arbeit und der Gefahren, denen sie ausgesetzt sind.
Dass die Bundesregierung jetzt den Kriegsbegriff vermeidet, ist letztlich eine politische Entscheidung. Dabei mag auch eine Rolle spielen, dass man den politischen Bemühungen um eine Konfliktlösung in Syrien Vorrang einräumen will, dass man die deutsche Öffentlichkeit nicht verschrecken will, und dass man es eigentlich bei Waffenlieferungen und Ausbildung von Kämpfern vor Ort belassen wollte - bis die Terrorserie von Paris das änderte.
Juristisch macht es jedenfalls keinen Unterschied, ob die Regierung von Krieg redet oder nicht. „Rechtliche Folgen hätte es nur, wenn der Gegner ein Staat wäre und sich dann auch an das Kriegsvölkerrecht halten würde“, sagt der Berliner Politikwissenschaftler Ingo Peters. Dann müssten deutsche „Tornado“-Piloten auch nicht fürchten, bei einem Absturz in Syrien von IS-Kämpfern gefasst, misshandelt oder brutal getötet zu werden. IS-Terroristen kennen aber kein Völkerrecht und auch keine Kriegsordnung.