De Maizière zu Libyen: „Mindestens drei Mal geirrt“

Berlin (dpa) - Verteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU) hat Fehler der internationalen Staatengemeinschaft bei der Einschätzung der Lage in Libyen beklagt.

„Wir haben uns mindestens drei Mal geirrt - nicht nur wir Deutschen, der ganze Westen“, sagte er am Freitag in der Bundesakademie für Sicherheitspolitik in Berlin. Der bisherige Machthaber Muammar al-Gaddafi sei erst „massiv unterschätzt“ und dann „massiv überschätzt“ worden. „Dann haben wir gesagt, es wird lange anhalten und es gibt überhaupt keine Veränderungen, und in einer Woche war Tripolis erobert.“

Die derzeitigen Spekulationen über einen möglichen Bundeswehreinsatz in Libyen im Rahmen einer internationalen Friedensmission hält de Maizière für verfehlt. „Eine strategische Debatte ist das nicht“, sagte er. Stattdessen sollte man sich darüber klar werden, welche Rolle der Westen ganz generell in Libyen spielen könne und solle. Oder noch besser könne man zunächst einmal fragen: „Was wissen wir eigentlich über Libyen?“, fügte der Minister hinzu.

Sein Staatssekretär Christian Schmidt (CSU) sagte allerdings, dass sich Deutschland im Falle einer Beteiligungsbitte kaum verweigern werde. „Natürlich würden wir dann im Rahmen unserer eigenen Interessen und unserer internationalen Verantwortung nicht abseits stehen können“, sagte Schmidt der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ (Freitag). Eine Friedensmission solle aber „keine reine Nato-Aktion“ sein, sondern es solle „die arabische und nordafrikanische Nachbarschaft“ Verantwortung übernehmen. „Aber wenn die Nato gefordert ist, dann sind auch wir gefordert.“

De Maizière mahnte in seiner Rede eine intensivere sicherheitspolitische Debatte in Deutschland an. Die Zahl der Experten, die sich mit dem Thema befassten, sei „angesichts der Größe unseres Landes zu klein“. Es gebe keine großen „Think Tanks“ wie in den USA, der Beitrag der Universitäten sei „zurückhaltend gesagt bescheiden“, und auch im Journalismus gebe es zu wenige sicherheitspolitische Experten. Zudem solle die Debatte verständlicher geführt werden, um mehr Interesse in der Bevölkerung zu wecken.

Die Bildung eines nationalen Sicherheitsrats, der die Kompetenz in diesem Bereich bündelt, lehnte der CDU-Politiker ab. „Er passt eben nicht so in unsere politische Kultur und Sozialisation.“ Nationale Sicherheitsräte gibt es etwa in den USA, Großbritannien und Indien.

De Maizière redete anlässlich eines Wechsels an der Spitze der Bundesakademie für Sicherheitspolitik. Der bisherige Präsident, Generalleutnant a.D. Kersten Lahl, wurde von dem Diplomaten Hans-Dieter Heumann abgelöst.