Porträt Der Andersmacher: Gianni Pittella
Straßburg (dpa) - Einmal war Gianni Pittella schon Präsident des Europaparlaments - für zwei Wochen 2014 vor der Wiederwahl seines sozialdemokratischen Fraktionskollegen Martin Schulz.
Jetzt will der Süditaliener das Spitzenamt auf Dauer. Am Dienstag geht der einstige Vizepräsident des Hauses für die 189 Sozialdemokraten und Sozialisten ins Rennen, um Schulz zu beerben.
Den deutschen SPD-Mann nennt der 58-jährige Mediziner aus Lauria einen Freund. Als Fraktionschef der Sozialisten und Sozialdemokraten stützte Pittella gemeinsam mit Schulz seit 2014 die informelle große Koalition mit der Europäischen Volkspartei, die der EU-Kommission unter Jean-Claude Juncker im Parlament den Rücken frei hielt. Doch jetzt setzt sich Pittella ab.
„Wir machen einen Neuanfang“, sagte er kürzlich auf einer Podiumsdiskussion. Sein wichtigster Punkt: ein soziales Europa, das sich um die Schwachen kümmert, und ein Ende des auch von Deutschland gewünschten Sparkurses. „Wir müssen die Zeit der Austerität beenden - es ist vorbei“, ereiferte sich der Mann mit der Hornbrille, der oft sanftmütig wirkt, aber auch im Plenum durchaus laut werden kann.
Auch bei der Führung der riesigen Institution mit 751 Abgeordneten und Tausenden Mitarbeitern will er anders vorgehen als Schulz. Dem hallt in Brüssel der Ruf des Autoritären und Eigenmächtigen nach. Pittella, der seit 1999 ununterbrochen im Parlament sitzt und schon diverse Ämter hatte, versprach in einem Zehnpunkteprogramm ein neues Entgegenkommen - vom Gehör für kleine Fraktionen bis zur Frauenförderung.
Auf Stimmen anderer Fraktionen links und in der Mitte ist Pittella angewiesen, wenn er im Wettstreit mit dem ebenfalls italienischen Christdemokraten Antonio Tajani am Dienstag gewinnen will. Doch so recht gezündet hat Pittellas Werben vor der Wahl nicht. Grüne und Linke machten vorab keine Zusagen, obwohl viele seine politischen Anliegen vermutlich mittragen. Einige deuteln wohl noch, ob sich Pittella glaubhaft von Schulz absetzt, in dessen Windschatten er die letzten Jahre lief.
Anders als der polyglotte Deutsche wäre Pittella in jedem Fall. Als er vor Jahren in einem offiziellen Video Englisch sprach, erntete der Italiener Spott, weil es doch ordentlich holperte. Später versicherte er in einer Talkshow, das Thema sei nun aber echt durch, jeden Morgen um acht nehme er Stunden. Am geschmeidigsten parliert Pittella dennoch weiter in seiner Muttersprache.