Rad in einem Terror-Getriebe? Der Manchester-Attentäter: Akteur eines Netzwerks

Manchester (dpa) - Wer war Salman Abedi, der Attentäter von Manchester? Je mehr Details zu dem Briten mit libyschen Wurzeln und seinen mutmaßlichen Helfern ans Tageslicht kommen, umso deutlich wird: Der 22-Jährige war wohl nur ein Rad in einem größeren Terror-Getriebe.

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„Es ist klar, dass es sich um ein Netzwerk handelt, dem wir nachgehen“, sagt der Polizeichef von Manchester, Ian Hopkins. Mindestens 22 Menschen hat Abedi am Montagabend vor einer Konzerthalle in der nordenglischen Stadt mit in den Tod gerissen. Eine Festnahme nach der anderen gab es seither in Großbritannien, auch in Libyen wurden Verdächtige festgesetzt. Zu ihnen zählen auch Mitglieder des Familien-Clans in Nordafrika. Viele Briten, bekannt für ihre Haltung auch in Extremsituationen, stehen unter Schock. Vor allem die Menschen in Manchester.

„Hier hat es noch nie Ärger gegeben“, berichtet eine Nachbarin in der Elsmore Road über den Gartenzaun hinweg der Deutschen Presse-Agentur. Hier steht das Haus, in dem Abedis Familie gelebt haben soll. Es ist weiträumig von der Polizei abgesperrt, ein Teil der Straße gleich mit. Sie kenne den Attentäter nicht, sagt die blonde Frau, die dort seit zwei Jahren lebt. Sie finde das aber alles „furchteinflößend“.

Der Attentäter war ein stiller Zeitgenosse, der unauffällig und zurückgezogen lebte. Ruhig, respektvoll, freundlich. So lauten Beschreibungen von Menschen, die ihn von früher kannten. Mit wem hat er zusammengelebt? Womit hat er überhaupt sein Geld verdient? Wer waren seine Freunde? Es gibt Fragen über Fragen.

Auf Spurensuche: Abedi kam 1994 in Großbritannien auf die Welt und wuchs in Manchester auf. Als Jugendlicher besuchte er von 2009 bis 2011 das Burnage Media Arts College, wie die Schulleitung bestätigt. Die Schule liegt im Stadtteil Fallowfield südlich des Stadtzentrums.

Von 2014 bis 2016 studierte Abedi Betriebswirtschaft an der Universität Salford. Er habe sein Studium abgebrochen, hätte eigentlich dieses Jahr seinen Abschluss machen sollen, heißt es dort. Wie war Abedi als Mensch? Dazu wolle man nichts sagen, sondern die Entwicklung abwarten, sagt ein Sprecher der Deutschen Presse-Agentur.

Abedis Eltern waren Berichten zufolge vor dem Gaddafi-Regime aus Libyen geflohen und kamen so in das Vereinigte Königreich. Vor einiger Zeit sollen sie in ihre nordafrikanische Heimat zurückgezogen sein. Dort hat die Polizei den jüngeren Bruder Abedis festgenommen, auch der Vater wurde zwischenzeitlich festgesetzt. Der zweite Bruder soll unter den in Großbritannien festgehaltenen Verdächtigen sein. Abedi hat auch noch eine Schwester.

Der 22-Jährige war dem Geheimdienst bereits aufgefallen, wie Innenministerin Amber Rudd einräumte - ohne Details zu nennen. Ihr französischer Kollege Gérard Collomb plauderte dagegen mehr aus: Der Brite habe sich „plötzlich nach einer Reise nach Libyen und dann wahrscheinlich nach Syrien radikalisiert und (...) entschieden, diesen Anschlag zu begehen“, sagte der Minister dem Sender BFMTV.

Salman Abedis Vater und einer seiner Brüder, Ismail, hatten sich stark in der Gemeindearbeit der Didsbury-Moschee engagiert. Das Islamische Zentrum in Manchester distanzierte sich von dem Attentäter. „Diese feige Tat hat keinen Platz in unserer Religion oder irgendeiner anderen Religion“, sagt Fawzi Haffar vom Moscheeverein. Mit einer Mischung aus Wut und Entschlossenheit betont er: Die Didsbury Moschee stehe allen Menschen offen.

Einer der Imame erinnert sich an Salmans Reaktion auf einen Vortrag von 2015, in der Terrororganisationen kritisiert worden seien. Mit einem „hasserfüllten Gesicht“ habe ihn Salman damals angeschaut, zitierte die Zeitung „The Telegraph“ den Geistlichen.

Einiges erinnert an den Attentäter, der vor zwei Monaten den Anschlag im Londoner Regierungsviertel Westminster verübt hatte, den 52-jährigen Khalid Masood. Mit einem Mietauto überfuhr er gezielt Fußgänger auf einer Themse-Brücke und erstach anschließend einen unbewaffneten Polizisten. Er tötete fünf Menschen. Auch er lebte zurückgezogen, wurde von Nachbarn als freundlich und unauffällig bezeichnet. Doch näheren Kontakt hatte kaum jemand zu Masood.

Genau das sei das Problem, meint ein Taxi-Fahrer aus Manchester. „Wir haben hier zu lange aneinander vorbei gelebt“, sagt er mit Blick auf Briten und Menschen mit ausländischen Wurzeln. Viele seien in Manchester geboren, aber im Kopf nicht in Manchester aufgewachsen. Diese beiden Welten seien nun aufeinandergetroffen.