Van der Bellen Der Professor als besonnener Europa-Freund

Wien (dpa) - Die Freude für Alexander Van der Bellen währte nach der gewonnenen Stichwahl im Mai nur kurz: Bei seiner Rede nach dem Zittersieg gegen Norbert Hofer gab er sich vor der rot-weiß-roten Fahne der Alpenrepublik und der blauen Europaflagge als Brückenbauer.

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Die Politik müsse sich wieder mehr mit den realen Sorgen der Menschen beschäftigen und weniger mit sich selbst oder den Medien, sagte der Ex-Grünen-Chef damals. Doch schon kurz danach platzte der Traum vom Leben als Staatsoberhaupt für den 72-jährigen Wirtschaftsprofessor wieder - bis Sonntag. Die neuerliche Mobilisierung nach der Annullierung der Stichwahl zehrte an den Kräften des passionierten Rauchers.

Dabei sah am Anfang alles einfach aus: Vor der ersten Runde der Wahl des österreichischen Bundespräsidenten im April galt Van der Bellen als klarer Favorit. Er tritt seit Jahrzehnten stets ruhig, sachlich und pragmatisch auf. Skandale gab es nie. Mit seiner Art punktete der Europa-Freund weit über die grüne Kernwählerschaft hinaus. Trotzdem ging er im April nur als Zweiter der damals noch sechs Kandidaten durchs Ziel - und musste sich dem Kandidaten der rechtspopulistischen FPÖ, Hofer (45), deutlich geschlagen geben.

Auch mit Hilfe vieler prominenter Namen aus Kunst, Kultur, Wirtschaft und einer breiten Bürgerbewegung gelang es dem gebürtigen Wiener, in der Stichwahl am 22. Mai den FPÖ-Herausforderer knapp zu schlagen. Der Coup gelang nun mit deutlich größerem Vorsprung zum zweiten Mal und wird ihn zum ersten grünen-nahen Staatsoberhaupt Österreichs machen.

Der Wahlkampf schien „VdB“ oft schwerzufallen. Der direkte Kontakt mit dem einfachen Bürger ist nicht seine Stärke. Richtig authentisch wirkte der Intellektuelle im neuen Trachten-Sakko auf Volksfesten und Kirchweihtagen nicht.

Van der Bellen - als Kind einer Familie mit estnisch-russischen Wurzeln geboren - kam in Wien zur Welt, bevor es in ein kleines Tiroler Dorf in den Bergen ging.

Nach einer langen Karriere an der Universität entschied sich der zweifache Vater erst spät für eine Laufbahn in der Politik. Die Besetzung der Hainburger Au von linken Aktivisten, die ein Wasserkraftwerk an der Donau verhindern wollten, wurde 1984 zum politischen Wendepunkt. Zu dem Zeitpunkt noch Mitglied der Sozialdemokraten, entschied er sich, zu den Grünen zu wechseln. 1994 zog er ins Parlament ein und wurde bald für elf Jahre Parteichef. Er schaffte es, die Grünen zu ersten Erfolgen zu führen.

Zur Wahl trat er aber als Unabhängiger an. Finanziell und personell wurde er aber stark von den Grünen unterstützt.

Er bezeichnete sich selbst für Unentschlossene als das „kleinere Übel“. Sein Programm gilt als Kontrapunkt zur FPÖ mit ausländerfeindlichen und EU-kritischen Tönen. „Widerstehen wir der Versuchung, die alten Zäune wieder hochzuziehen“, sagte er zur Flüchtlingspolitik.

Stark umstritten ist seine Ankündigung, als Präsident einen Bundeskanzler der FPÖ trotz Stimmenmehrheit nicht vereidigen zu wollen. „Der Bundespräsident ist verpflichtet, Schaden von Österreich abzuwenden, wenn es ihm denn gelingt“, rechtfertigte sich Van der Bellen. Unrealistisch ist das Szenario nicht: Die Freiheitlichen sind in allen Umfragen seit langem mit Abstand die Nummer eins.

In direkten Medienkonfrontationen wirkte er dem bestens geschulten Hofer teilweise unterlegen. In den vergangenen Wochen schien er jedoch selbst viel besser auf diese Situationen vorbereitet zu sein.

Sein Privatleben hält der ehemalige Freimaurer lieber bedeckt und auch eine aktive „First Lady“ will er Österreich nicht präsentieren. Seine zweite Frau, die er kurz vor seinem Einstieg in den Wahlkampf geheiratet hat, werde ihren Beruf nicht aufgeben. Das passe nicht zum Frauenbild des 21. Jahrhunderts, sagt Van der Bellen. Sie bleibe weiterhin Geschäftsführerin der Grünen-Fraktion.