Kontakt mit Merkel Der Syrien-Krieg und Trumps Rückversicherung
Berlin/London/Washington (dpa) - Ihr Verhältnis ist von Skepsis geprägt, aber das hatten sich Donald Trump und Angela Merkel in Washington versprochen: In wichtigen Fragen greifen sie zum Telefonhörer.
Der US-Präsident hat nun innerhalb weniger Tage gleich zweimal angerufen.
Das Weiße Haus sendet am Dienstagmorgen diese Botschaft: Kanzlerin Merkel und die britische Premierministerin Theresa May unterstützten den US-Militärschlag gegen Syrien als Reaktion auf den Giftgaseinsatz gegen Zivilisten - mutmaßlich verübt von der syrischen Armee.
Dabei kommt Merkel das Wort „Unterstützung“ gar nicht über die Lippen. Sie spricht von einer „nachvollziehbaren US-Reaktion auf den grausamen Chemiewaffeneinsatz“. Das ist ein Unterschied. Wer hält es nicht für nachvollziehbar, wenn ein Giftgasangriff mit herzzerreißenden Bildern getöteter Kinder und weinender Eltern Konsequenzen hat? Aber unterstützen? Eine Mehrheit der Deutschen lehnt den US-Luftschlag laut einer Umfrage ab. Nicht nur in Wahlkampfzeiten achtet die CDU-Vorsitzende auf die Stimmung der Bürger, die Kriegseinsätzen extrem kritisch gegenüberstehen.
Und dennoch darf sich Trump, zu dem Merkel auch angesichts seiner verstörenden Äußerungen im US-Wahlkampf über ihre Flüchtlingspolitik, über Frauen und Freiheitsrechte auf Distanz ist, von der Kanzlerin unterstützt fühlen. Denn schon nach ihrem Telefonat mit Trump direkt nach dem Giftgas-Angriff - in dem es laut Regierungsangaben aber um die Konflikte in der Ukraine und in Afghanistan ging - erklärte Merkel, es spreche leider manches dafür, dass der „barbarische“ Angriff vom Regime des Machthabers Baschar al-Assad ausgegangen sei.
In der darauffolgenden Nacht zum Freitag feuerten die USA dann 59 Marschflugkörper auf eine syrische Luftwaffenbasis ab und zerstörten einen Teil der Kampfflugzeuge. Trump dürfte Merkel vorgewarnt haben. Sie weiß, dass ein einzelner Militärschlag den Krieg nicht beendet. Aber sie weiß auch, dass kein Militärschlag in den sechs Kriegsjahren auch nicht verhindert hat, dass Assad straflos Tabus gebrochen hat.
Trumps Vorgänger Barack Obama hatte 2012 Syriens Regierung vor dem Einsatz von Giftgas gewarnt. Damit, sagte er damals, wäre die „rote Linie“ überschritten - sollte heißen: In diesem Fall bliebe Amerika nichts anderes übrig, als militärisch einzugreifen. Doch als Assad dann Giftgas einsetzen ließ, nahm Obama von seiner ultimativen Drohung Abstand. Stattdessen ließ er sich auf einen Kompromiss mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin ein, die syrischen Vorräte an Giftgas außer Landes zu bringen und unschädlich zu machen.
Neben Merkel rief Trump noch May an. Die USA und Großbritannien - das ist derzeit eine Art Hassliebe. Die „Washington Post“ bezeichnete May sogar als „Anti-Trump“ - ernsthaft, vorsichtig und einfallslos. May ist wegen der bevorstehenden Scheidung von der Europäischen Union und der Suche nach einem neuen starken Partner auf Trump angewiesen. Das jüngste Telefonat zwischen beiden zu Syrien „sei ein klarer Schulterschluss der Briten, die sich stark an Trump in der Sicherheits- und Wirtschaftspolitik orientieren“, sagt Nicolai von Ondarza von der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin. „Die Abhängigkeit Großbritanniens von den USA ist durch den Brexit gestiegen“. Bemerkenswert findet er aber, dass Trump nicht mit Frankreichs Regierung gesprochen habe. Das zeige die Bedeutung der Länder aus Trumps Sicht.
Trump hatte die Premierministerin als ersten ausländischen Staatsgast begrüßt. Er soll über May angeblich in Anspielung auf die Eiserne Lady Margaret Thatcher als „meine Maggie“ reden. Thatcher und der damalige US-Präsident Ronald Reagan galten als politische Seelenverwandte. Die Londoner Sicht: Das Königreich sei „mit einem US-Präsidenten konfrontiert, der im Grunde nicht mit der britischen Sicht auf die Welt übereinstimmt“, schrieb die „Financial Times“.
Der Grünen-Außenexperte Omid Nouripour sagt: „Es ist gut, dass Trump das Gespräch mit Partnern in Europa sucht.“ Der US-Schlag sei emotional nachvollziehbar, aber klüger wäre es gewesen, eine Untersuchung abzuwarten, auch wenn jetzt schon alles auf Assad deute.
Am UN-Sicherheitsrat könnte Merkel wie viele andere auch verzweifeln. Selbst der Giftgasangriff mit etwa 80 Toten führte zu keiner Resolution, die Attacke zu verurteilen und eine rasche Aufklärung zu fordern. Moskau blockierte. Merkel sprach von Schande. Am 2. Mai fliegt sie zu Putin. Ohne Russland und auch ohne den Iran - Assads engsten Verbündeten - kann kein Friedensprozess in Syrien eingeleitet werden. Da ist sie sich mit Außenminister Sigmar Gabriel (SPD) einig. Und Russland und der Iran verurteilen die US-Militäraktion als groben Verstoß gegen das Völkerrecht.
Ist Merkel Trumps Vorgehen nun lieber als Obamas Vorsicht? Muss sie nicht fürchten, dass Trump auch in anderen Fällen das Militär schnell zuschlagen lässt? In deutschen Regierungskreisen heißt es, Trump komme langsam in der Realität der Weltpolitik an, dass der als mächtigste Mann der Welt betitelte US-Präsident andere Positionen als im Wahlkampf einnehmen müsse. Aber ein Signal setzt Merkel auch in Trumps Richtung. Just dann, wenn er erstmals als US-Präsident nach Europa kommen will - am 25. Mai zum Nato-Gipfel in Brüssel - trifft die Nato-Partnerin Merkel vorher Barack Obama. In Berlin beim Evangelischen Kirchentag. Mit ihm spricht sie vor dem Brandeburger Tor über das Thema „Engagiert Demokratie gestalten - Zuhause und in der Welt Verantwortung übernehmen“. Mit Obama. Nicht mit Trump.