Die AfD kann ihren Brexit-Triumph nicht richtig genießen

Berlin (dpa) - Wäre die AfD eine Fußballmannschaft, eine Diskussion über schlechte Chancenverwertung wäre jetzt wohl angezeigt. Denn obwohl der jungen Partei seit dem Beginn der Flüchtlingskrise 2015 ein Aufregerthema nach dem anderen in den Schoß fällt, kann sie davon nur bedingt profitieren.

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Aktuelles Beispiel: der Brexit. Schon seit ihrer Gründung vor gut drei Jahren wettert die AfD gegen das „Brüsseler Bürokratiemonster“, das „deutsche Steuerzahler enteignet“ und „unfähig ist, Migrationswellen zu stoppen“. Das Votum der Briten für einen Ausstieg aus der Gemeinschaft werten die AfD-ler jetzt als Bestätigung für ihre eigene eurokritische Haltung.

Doch so richtig können sie ihren Triumph nicht auskosten. Denn um die innere Verfasstheit der Partei ist es zur Zeit so schlecht bestellt wie seit dem Austritt des Flügels von Bernd Lucke im Juli 2015 nicht mehr. Auf die Frage, welche Gemeinschaft aktuell wohl stärker zerrüttet sei, die AfD oder die Europäische Union, geht Parteivize Alexander Gauland, lieber gar nicht erst ein.

Die AfD fordert - und das will in Deutschland sonst keine andere Partei - eine radikale Reform der Europäischen Union. Übrig bleiben soll am Schluss nur noch ein Gerippe, eine Wirtschaftsunion. Der Euro, gemeinsame Umweltstandards, eine solidarische Flüchtlingspolitik: Aus Sicht der AfD ist das gefährlicher Unsinn, der abgeschafft gehört.

Mit so einer Haltung kann man derzeit nicht nur in Österreich und Großbritannien Wähler mobilisieren. Auch in Deutschland gibt es Kreise, in denen solche Positionen populär sind. Doch ihre Personalquerelen verhindern, dass die AfD ihr Potenzial gänzlich ausschöpft. Nachdem sie in bundesweiten Wählerumfragen Ende Mai noch bei 14 Prozent lag, pendelten sich die Werte zuletzt zwischen 11 und 13 Prozent ein.

In Sachsen-Anhalt, wo die AfD bei der Landtagswahl im März aus dem Stand zur zweitstärksten Kraft aufgestiegen ist, wehrt sich ein Teil des Landesverbandes gegen den rechtsnationalen Kurs des Vorsitzenden André Poggenburg.

In Baden-Württemberg wäre die neue Landtagsfraktion vergangene Woche fast zerbrochen. Der Grund: Ein Teil der Fraktion sperrte sich gegen den Ausschluss des AfD-Abgeordneten Wolfgang Gedeon, dem Antisemitismus vorgeworfen wird.

Dieser Fall, dessen Klärung jetzt auf den Herbst vertagt worden ist, hat auch das ohnehin schon von Rivalität geprägte Verhältnis zwischen den beiden gleichberechtigten Parteivorsitzenden Jörg Meuthen und Frauke Petry vergiftet. Meuthen ist Fraktionschef in Stuttgart. Er hatte sein politisches Schicksal mit dem Rauswurf Gedeons verbunden. Petry wirft er vor, sie habe Landtagsabgeordnete in Baden-Württemberg bearbeitet, damit diese gegen ihn stimmen. In einem Gespräch mit Journalisten sagte Meuthen kürzlich sogar einmal versehentlich „Frau Merkel“, als er über Petry sprach. Er entschuldigte sich mit den Worten, das sei wohl ein „Freud'scher Versprecher“ gewesen.

Auch die Art und Weise, wie die AfD in den ersten Stunden auf das Ergebnis des britischen Referendums reagierte, ließ tief blicken. Petry gab eine eigene Pressemitteilung heraus, während Gauland in Berlin zusammen mit den Bundesvorstandsmitgliedern Armin-Paul Hampel und Georg Pazderski vor die Presse trat. Die Botschaft der drei Männer unterschied sich nicht von der Petrys, die nicht eingeladen worden war. Alle vier interpretierten den Brexit als Signal für eine radikale EU-Reform.

Der Thüringer AfD-Fraktionschef Björn Höcke war zu diesem Zeitpunkt allerdings schon mit der Forderung nach einem deutschen EU-Referendum auf dem Markt. Auch aus Gaulands eigener Fraktion im Brandenburger Landtag kam ein Querschuss. „Nächstes Jahr sitzt die AfD im Deutschen Bundestag - der DExit wird ganz oben auf unserer Agenda stehen“, erklärte Franz Wiese, europapolitischer Sprecher der Fraktion. „Der Satz, der gilt nicht automatisch und sofort“, sagt Gauland später.

Seine Botschaft an die AfD-Mannschaft: „Man muss sich nicht lieben, um zusammenzuarbeiten.“ Zu Journalisten, die über einen Zerfall der AfD spekulieren, sagt er: „Glauben Sie nicht, dass die Partei in irgendeiner Weise gefährdet ist.“