Die CIA und die Folter: Wahrheitssuche setzt Polen unter Zugzwang
Warschau (dpa) - Im Bericht des US-Senats ist nur von „Land X“ die Rede. Doch Medien in Polen haben keinen Zweifel: Es geht um ihr Land, das ein geheimes CIA-Gefängnis erlaubte. Die politisch Verantwortlichen von einst schweigen weiter.
Scheinexekutionen, quälende Fesselungen, stundenlanges Stehen und die Drohung, man werde seine Mutter festnehmen und vor seinen Augen vergewaltigen: Der Bericht des US-Senats über die „harschen“ Verhörmethoden von Terrorverdächtigen befasst sich auch mit den Vernehmungen von Abd Al-Rahim Al-Nashiri im „blauen Gefängnis“ im „Land X“ vor mehr als zehn Jahren.
In Polen ist der Name Al-Nashiri nicht unbekannt: Im Juli hatte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte das Land zur Zahlung von je 100 000 Euro an den gebürtigen Saudi und einen zweiten Terrorverdächtigen verurteilt, wegen illegaler Freiheitsberaubung und Verletzung seiner Menschenrechte. Polen habe sich der Beihilfe zur Folter schuldig gemacht. Die polnische Regierung hat gegen das Urteil Berufung eingelegt.
Der Bericht des US-Senats über geheime Gefängnisse und brutale Verhörmethoden setzt Polen unter Zugzwang. Denn auch wenn die ersten Vorwürfe über die Einrichtung eines geheimen CIA-Gefängnisses in Nordostpolen bereits 2005 aufkamen und sowohl die Straßburger Richter als auch ein Untersuchungsbericht des Europaparlaments Polen klar benennen: Die damals politisch Verantwortlichen und ihre Nachfolger schweigen und leugnen seit Jahren.
Die polnische Staatsanwaltschaft ermittelt seit 2008 zu dem angeblichen CIA-Gefängnis auf einem ehemaligen Militärstützpunkt in Stare Kejkuty in Nordostpolen. Mindestens zwei Häftlinge sollen hier festgehalten worden sein. Doch mit Hinweis auf die Sicherheitsproblematik sind die Ermittlungen geheim. Schon mehrfach wurden sie verlängert, und niemand weiß, ob und wann die Behörde ihren Bericht vorlegt.
„Wir sollten uns an den Amerikanern ein Beispiel nehmen“, hieß es am in einem Kommentar der linksliberalen „Gazeta Wyborcza“. „(Wir sollten) endlich die ganze Wahrheit sagen, die Sache abschließen und Schlussfolgerungen für die Zukunft ziehen.“ Auch wenn Polen im Bericht des US-Senats namentlich nicht genannt wird, herrscht in Medienkommentaren kein Zweifel: Das „Land X“ ist Polen. Ex-Präsident Aleksander Kwasniewski gestand erstmals ein, Stare Kiejkuty sei den Amerikanern zur Verfügung gestellt worden.
Noch in der Nacht vor der Veröffentlichung hatte US-Präsident Barack Obama mit der polnischen Regierungschefin Ewa Kopacz telefoniert. Beide Seiten hofften, dass der Bericht das Verhältnis beider Länder nicht negativ beeinflusse, hieß es anschließend aus der Warschauer Staatskanzlei.
Polen ist nicht das einzige europäische Land, in dem die CIA Terrorverdächtige gefangen gehalten haben soll. Auch von Rumänien und Litauen war etwa 2005 im Bericht der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch die Rede. Doch in Polen, das so stolz auf seine Tradition im Kampf für Freiheit und Menschenrechte ist, ist es besonders bitter, mit Folter in Zusammenhang gebracht zu werden.
„Der Bericht ist eine Anklageschrift gegen Polen“, sagte Adam Bodnar, Vizepräsident der Helsinki-Stiftung für Menschenrechte in Warschau. „Ich bin schockiert, dass wir für Geld die Verfassung gebrochen haben.“ Denn die Regierung von „Land X“ habe nach dem Versprechen einer Millionensumme Entgegenkommen für die Vernehmung von Terrorverdächtigen in ihrem Land gezeigt, heißt es in dem Senatsbericht.
„Es gab eine Zusammenarbeit der Sicherheitsdienste, aber keine Zustimmung zu Folter“, betonte Kwasniewski. Die amerikanische Seite habe Polen um einen „ruhigen Ort“ gebeten, um Terroverdächtige zu vernehmen. Er bestritt aber, dass es sich bei dem Militärstützpunkt in Masuren um ein CIA-Gefängnis gehandelt habe.
Der damalige Regierungschef Leszek Miller verteidigt bis heute die Zusammenarbeit mit den USA, ohne die Existenz geheimer CIA-Gefängnisse zuzugeben: „Zu Angelegenheiten, die die Zusammenarbeit der Geheimdienste betreffen, muss ich schweigen.“
Der derzeitige Präsident Bronislaw Komorowski hofft nun, dass auch in Polen die Politik künftig genauer hinschaut, wenn es um die Kontrolle der Sicherheitsdienste und ihres Vorgehens gehr. „Die damals Verantwortlichen sagen immer wieder: Ich habe nichts gewusst“, betonte Komorowski. „Wenn sich zeigt, dass über so grundlegende Probleme, die die Meinung über Polen, über uns selbst und die Beziehung zu einem wichtigen Verbündeten nichts gewusst wird, ist das ein schwerwiegendes Problem.“