US-Sanktionen gegen Russland Die drohende Protektionismus-Lawine

Berlin (dpa) - Die geplanten schärferen Sanktionen der USA gegen Russland rücken nach dem klaren Votum im US-Senat näher. Russland soll damit für die Annexion der ukrainischen Halbinsel Krim, die Unterstützung der Assad-Regierung in Syrien und seine mutmaßliche Einflussnahme auf die US-Wahl bestraft werden.

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Das Gesetzespaket muss noch von Präsident Donald Trump unterzeichnet werden. Legt der kein Veto ein, ist ein schwerer Handelskonflikt zwischen den USA und der EU unvermeidbar. Auch Moskau rüstet sich:

Was steht eigentlich in dem Sanktionsgesetz?

Es sieht neben neuen Strafen gegen Russland auch weitere Sanktionen gegen den Iran und Nordkorea vor. Was Russland betrifft, will der Kongress dem „Wall Street Journal“ zufolge unter anderem Restriktionen bei der Kreditvergabe verschärfen. Wer die Cybersicherheit untergräbt und bedeutende Transaktionen vornimmt, die den russischen Verteidigungs-und Geheimdienstsektor involvieren, soll mit Sanktionen belegt werden. An einigen Gemeinschaftsfirmen im Energiebereich soll nicht gerüttelt werden. Aber gegen neue Projekte, in denen eine mit Strafen belegte Person oder Einrichtung 33 Prozent Anteile oder mehr hat, sollen Sanktionen verhängt werden. Das Gesetz enthält auch eine Passage, der zufolge der US-Präsident Firmen bestrafen kann, die ein russisches Pipeline-Projekt stützen.

Was sorgt in Berlin und Brüssel für Unruhe?

Die neuen US-Sanktionen betreffen vor allem das Öl- und Gasgeschäft. Hier kämpfen die Amerikaner um mehr Absatz zur Stärkung heimischer Industrien. Außenminister Sigmar Gabriel (SPD) hatte schon Mitte Juni dem US-Senat vorgeworfen, eigene wirtschaftliche Interessen zu verfolgen. Es gehe eigentlich um den Verkauf amerikanischen Flüssiggases und die Verdrängung russischer Erdgaslieferungen vom europäischen Markt. Auch die EU hat wegen der Annexion der Krim gegen Russland Sanktionen verhängt. Die nun von Washington vorangetriebenen Strafen aber sind nicht mit der EU abgestimmt.

Können Sanktionen für eigene Wirtschaftsinteressen genutzt werden?

Kritiker sagen, dass Sanktionen kein Instrument zur Beförderung nationaler Exportinteressen sein können. Eine „extraterritoriale Anwendung“ von Wirtschaftssanktionen sei völkerrechtlich fragwürdig, heißt es in der deutschen Wirtschaft. Gabriel stellte mehrfach klar: Eine „extraterritoriale Anwendung“ werde keinesfalls akzeptiert.

Wo konkret könnte es deutsche Unternehmen treffen?

Nach Angaben des Ost-Ausschusses der deutschen Wirtschaft sind Unternehmen betroffen, die sich an Instandsetzung, Modernisierung oder dem Ausbau russischer Exportpipelines beteiligen. Im Visier stünden Firmen, die mit Russland an der Ostseepipeline NordStream2 bauen für russisches Erdgas nach Europa. Offenbar sei es Ziel, mehr amerikanisches Flüssiggas auf den europäischen Markt zu drücken. Es gebe 90 Export-Pipelines aus Russland. Auch die russische Bahn werde im Gesetz erwähnt, so der Ausschuss. Deutsche Firmen wollen sich am Bau einer Hochgeschwindigkeitsstrecke in Russland beteiligen.

Werden diese Gefahren überall so gesehen?

Für den Grünen-Politiker Oliver Krischer sind US-Sanktionen im Energiebereich richtig. Niemand brauche eine zusätzliche Gaspipeline NordStream2. Wenn russisches Erdgas nur noch durch die Ostsee fließe und nicht mehr durch die Ukraine, drohe dort der Konflikt zu eskalieren. Russland brauche dann keine Rücksicht mehr auf einen sicheren Gastransit nehmen und könne besser die Regierung in Kiew destabilisieren, argumentiert Krischer. Tatsache sei, dass US-Fracking-Gas nur in geringem Umfang exportiert werde. Wenn überhaupt, landet es in Asien und nicht in Europa.

Was macht die EU?

In Brüssel werden mögliche Vergeltungsmaßnahmen ausgelotet. Man sei bereit, „innerhalb von Tagen adäquat zu reagieren“, warnte EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker: „„America first“ kann nicht bedeuten, dass Europas Interessen an letzter Stelle kommen.“

Was könnten Gegenmaßnahmen sein?

Öffentlich wollte sich die EU-Kommission nicht dazu äußern. In internen Papieren wird aber darauf verwiesen, dass die US-Sanktionen per Verordnung als „nicht anerkannt und sind nicht vollstreckbar“ erklärt werden könnten. Zudem dürfte die EU den Fall vor ein Schiedsgericht der Welthandelsorganisation (WTO) bringen. Stuft dieses die Sanktionen als WTO-widrig ein, könnte die EU Strafen ergreifen - etwa zusätzliche Einfuhrzölle auf US-Produkte einführen.

Und wie reagiert Russland?

Moskaus Antwort dürfte schon lange in der Schublade liegen. Mit der Ankündigung, bis September US-Botschaftspersonal auszuweisen, knüpft Russland an die Ausweisung von russischen Diplomaten aus den USA im Dezember an. Diplomaten in Moskau verweisen aber darauf, dass Russland möglicherweise eine „eigenständige Reduzierung“ des Personals erwarte. Auch im Streit um zwei Datschen, die russische Gesandte vor einer Schließung durch die USA nutzten, legt Moskau nun mit einer vergleichbaren Maßnahme nach.

War es das vorerst oder ist noch mehr aus Moskau zu erwarten?

Russische Experten vermuten, dass es nicht bei diesen Sanktionen bleiben werde. „Die russischen Maßnahmen gegen US-Diplomaten sind eine Reaktion auf (Ex-Präsident Barack) Obamas Schritte vom 16. Dezember, noch nicht auf das jüngst verabschiedete Gesetz“, schreibt der Politologe Dmitri Trenin auf Twitter. Auch das Außenministerium teilte mit, zusätzliche Schritte seien möglich. Kremlchef Wladimir Putin habe aber die Beziehungen zu den USA noch nicht aufgegeben.