Fragen und Antworten Dieselland soll sauber werden
Berlin (dpa) - Mittags um zwölf öffnet sich das Tor des Gartens am Kanzleramt. Schwarze Limousinen rollen unter Bäumen über eine grüne Wiese zum Bundesinnenministerium, wo die Autobosse schon warten.
„Aus Sicherheitsgründen“ wurde das Krisengespräch über die Zukunft des Diesels in Deutschland am Mittwoch dorthin verlegt.
So müssen sie nicht an den Demonstranten vorbei, die einen guten Kilometer entfernt vor dem Dienstsitz von Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) stehen und von dem Umzug des Dieselgipfels erst mal nichts erfahren. Seit dem Morgengrauen seilen sich dort Greenpeace-Aktivisten mit Transparenten vom Dach ab.
Nun sitzen die Chefs von VW, BMW, Daimler und anderen Autobauern, Bundesminister und die Regierungschefs von neun Bundesländern, die sich im Kanzleramt noch unter sich beraten haben, endlich zusammen. Bei Kaffee, Saft, Wasser und Häppchen geht es - übrigens ohne Kanzlerin Angela Merkel (CDU) - um die Gesundheit Hunderttausender Menschen an Durchgangsstraßen mit verpesteter Luft. Um Millionen Autobesitzer, die Fahrverbote in Städten fürchten. Und überhaupt um die Zukunft und den Ruf einer Antriebstechnologie, die für die deutschen Autokonzerne immer noch eine tragende Rolle spielt. Jeder dritte Pkw in Deutschland ist ein Diesel.
Und Dieselland muss schnell sauberer werden. Manipulierte Abgaswerte und Kartellvorwürfe gegen mehrere Hersteller setzen die Branche unter Druck. Für die Politik ist es ein Balanceakt - Arbeitsplätze nicht zu gefährden, aber Vorwürfe zu großer Industrienähe nicht zu füttern.
Die heimliche Verlegung des Tagungsorts ist nur eine von mehreren schrägen Ereignissen am Gipfeltag. Da veröffentlicht der Verband der Autobauer schon mal seine Erklärung, während Gespräche noch laufen. Umweltministerin Barbara Hendricks (SPD) erinnert CSU-Chef Horst Seehofer an die Unabhängigkeit der Justiz. Und Politiker finden gut, was hinter ihren Forderungen zurück bleibt. Zu den Fakten:
Was ist das Problem?
In vielen deutschen Städten ist die Luft stark mit Stickoxiden (NOx) belastet. Das kann die Atemwege schädigen. Deutschland hat deswegen Ärger mit Brüssel. Dieselfahrern könnten Fahrverbote in Städten oder für bestimmte Straßen drohen - was den Wiederverkaufswert gebrauchter Diesel drastisch senken dürfte. Dazu kommt, dass mit der Abgas-Affäre bekannt wurde, dass manche Diesel im Alltag viel mehr Stickoxide ausstoßen als auf dem Prüfstand.
Wie sollen Diesel nun sauberer werden?
Volkswagen, Daimler, BMW und Opel sagen „umfassende und zügige“ Updates an der Steuersoftware von etwa 5,3 Millionen Diesel-Pkw in Deutschland zu. Das gilt für Wagen der EU-Schadstoffnorm Euro 5 und Euro 6, von denen - Stand Januar - rund 8,6 Millionen zugelassen sind. Rund 2,5 Millionen Autos, die VW ohnehin zurückrufen muss, sind eingerechnet. Die nachgerüsteten Fahrzeuge sollen 25 bis 30 Prozent weniger NOx ausstoßen - Hendricks pocht auf 30 Prozent. Die Operation dürfte die deutschen Autobauer 500 Millionen Euro kosten.
Was heißt das für Diesel-Besitzer?
Wenn ihr Auto betroffen ist, werden sie zur Nachrüstung eingeladen. In der Werkstatt dauert das Update dann etwa eine Stunde, wie Daimler-Chef Dieter Zetsche sagt. Bezahlen müssen Autobesitzer nichts, und die Teilnahme ist freiwillig. Motorleistung und Verbrauch sollen sich dadurch nicht verschlechtern, versichern die Konzerne.
Und was ist mit älteren Autos?
Die Hersteller schaffen Anreize für Kunden, ältere Diesel gegen neue, relativ saubere Modelle oder E-Autos auszutauschen. Beispiel BMW: Wer noch dieses Jahr einen Euro-4-Diesel oder einen noch älteren in Zahlung gibt und einen Euro-6-Diesel oder einen elektrifizierten BMW oder Mini kauft, bekommt bis zu 2000 Euro Rabatt.
Sind mit dem Gipfel Fahrverbote vom Tisch?
Kritiker sagen: auf keinen Fall. Auch Hendricks hat ihre Zweifel. Es dürfte davon abhängen, wie viel nachgerüstet wird und wie viele alte Autos von den Straßen verschwinden. Ein Gericht in Stuttgart hat - vor dem Gipfel - geurteilt, dass Nachbesserungen womöglich nicht ausreichen, um die EU-Grenzwerte für Stickoxide in der Atemluft überall einzuhalten. Das muss aber letztlich das Ziel sein, sonst könnte es sein, dass Gerichte Fahrverbote erzwingen. Ob es dafür eine ausreichende rechtliche Grundlage gibt, ist umstritten - ein neues Gesetz dazu wird es vor der Bundestagswahl nicht geben.
Sind Software-Updates schon alles?
Mit mehr oder weniger lauten Rufen nach weitergehenden Umrüstungen direkt an Motorbauteilen ist die Politik ziemlich abgeblitzt - zur hellen Empörung von Umweltschützern und Opposition. „Wir halten es für ausgeschlossen, Hardware-Nachrüstungen vorzunehmen“, formuliert VW-Boss Matthias Müller nur kühl. Seine Ingenieure wolle er gern zukunftsorientiert arbeiten lassen - und nicht an Motoren, die 10 und 15 Jahre alt sind. Hendricks sowie Niedersachsens Ministerpräsident und VW-Aufsichtsrat Stephan Weil (SPD) sagen allerdings, das Thema sei nicht vom Tisch. Nun sollen auch Expertenrunden darüber beraten.
Bekommen die Städte Hilfe im Kampf gegen Luftverschmutzung?
Kommen soll ein Fonds „Nachhaltige Mobilität für die Stadt“ für sauberen, digital vernetzten und möglichst staufreien City-Verkehr. Der Bund gibt 250 Millionen Euro, die Autobauer sollen ebenso viel beisteuern. Für die 28 Regionen mit der größten Luftbelastung soll es individuelle Pläne geben, etwa um Staus zu vermeiden. Zudem sollen Förderprogramme aufgestockt werden, um den Umstieg auf E-Mobilität zu beschleunigen und außerdem den Rad- und Bahnverkehr zu stärken.