Fragen und Antworten Doppelte Staatsangehörigkeit wieder auf dem Prüfstand

Essen/Berlin (dpa) - Seit Ende 2014 dürfen in Deutschland geborene und aufgewachsene Zuwandererkinder neben der deutschen Staatsbürgerschaft auch dauerhaft die ihrer Eltern haben. Diesen Koalitionskompromiss zur doppelten Staatsbürgerschaft will die CDU aufkündigen.

Eine Parteitags-Mehrheit stimmte am Mittwoch dafür, die „Optionspflicht“ wieder einzuführen. Dabei geht es vor allem um Kinder türkischer Eltern, die sich zwischen 18 und 23 Jahren für eine Staatsbürgerschaft entscheiden sollen.

Kommt der Beschluss des CDU-Parteitags überraschend?

Die Union lehnte den Doppelpass stets ab. Zum Schutz vor Terror haben zuletzt immer wieder Politiker von CDU und CSU dafür plädiert, die doppelte Staatsbürgerschaft abzuschaffen. Der im Koalitionsvertrag formulierte Kompromiss war mühsam ausgehandelt worden. Innenminister Thomas de Maizière (CDU) hatte Mitte August ein Sicherheitspaket vorgelegt, um die Gefahr weiterer Terroranschläge einzudämmen. Forderungen aus der Union, die doppelte Staatsbürgerschaft abzuschaffen, hatte er eine Absage erteilt. Auf Dauer aber sollte es keine doppelte Staatsbürgschaft geben.

Wie ist die aktuelle Rechtslage?

Ende 2014 war für in Deutschland geborene und aufgewachsene Kinder ausländischer Eltern die „Optionspflicht“ abgeschafft worden: Bis dahin mussten sie sich bis zum vollendeten 23. Lebensjahr für eine Staatsangehörigkeit entscheiden. Das Gesetz sieht vor, in bestimmten Fällen die Mehrstaatigkeit zu akzeptieren. Diese Regelung ist im Koalitionsvertrag von Union und SPD festgelegt. Die Bundesregierung sprach seinerzeit von einer zeitgemäßen Lösung.

Was genau hatte hat sich mit dem Gesetz Ende 2014 geändert?

Man muss sich nicht mehr zwischen zwei Pässen entscheiden, sondern kann beide auf Dauer behalten. Die Voraussetzung: Bis zum 21. Geburtstag muss jemand mindestens acht Jahre in Deutschland gelebt haben oder sechs Jahre hier zur Schule gegangen sein. Als Nachweis reichen auch ein deutscher Schulabschluss oder ein Ausbildungszeugnis. Liegen die Belege vor dem 21. Geburtstag nicht vor, schauen die Behörden danach selbst ins Melderegister, ob die Person acht Jahre in Deutschland gemeldet war. Ist das so, wird nichts weiter geprüft. Anderenfalls müssen Nachweise vorliegen.

Wie viele Menschen betrifft die Neu-Regelung von Ende 2014?

Nach früheren Angaben des Bundesinnenministeriums sind mehr als 500 000 „Optionskinder“ betroffen. Im Lagebericht der Integrationsbeauftragten der Bundesregierung werden 509 387 „Optionskinder“ für die Geburtsjahrgänge 1990 bis 2012 angegeben. Im Schnitt kämen jährlich etwa 30 000 Neu-Betroffenen hinzu.

Wie war die Rechtslage bis zur Änderung Ende 2014?

Kinder ausländischer Eltern, die in Deutschland geboren sind, bekamen zunächst zwei Staatsangehörigkeiten: die deutsche und die ihrer Eltern. Sie mussten sich aber bis zum 23. Geburtstag für einen der beiden Pässe entscheiden. „Optionspflicht“ heißt das im Behördendeutsch. Die Regelung galt seit dem Jahr 2000 - und rückwirkend für alle, die seit 1990 in Deutschland auf die Welt gekommen sind. Es gab aber viele Ausnahmen - für EU-Bürger und Dutzende andere Nationalitäten war der „Doppelpass“ kein Problem.

Was ist mit denen, die vor 1990 geboren wurden?

Sie gingen leer aus. Auch weiterhin gilt nur für Kinder aus Zuwandererfamilien, die seit 1990 in Deutschland geboren sind, dass sie mit der Geburt automatisch die deutsche Staatsbürgerschaft bekommen - neben der ihrer Eltern. Für ältere Geschwister sind zwei Pässe weiter nicht erreichbar, für die Elterngeneration auch nicht.

Was ist mit denen, die nach der alten Regelung zunächst beide Pässe hatten, sich aber dann für einen entscheiden mussten?

Sie konnten die Entscheidung quasi rückgängig machen. Haben sie sich für die Staatsangehörigkeit ihrer Eltern und gegen die deutsche entschieden, können sie wieder eingebürgert werden. Haben sie sich entschieden, Deutsche zu sein und den ausländischen Pass aufzugeben, können sie den Wiedererwerb der ausländischen Staatsangehörigkeit betreiben und dazu eine Genehmigung erhalten.

Wie viele Deutsche haben überhaupt zwei Pässe?

Das weiß niemand genau. Die Zahlen schwanken zwischen 1,6 und 4,3 Millionen. Die Wahrheit liegt Experten zufolge wohl in der Mitte. 2011 ergab eine Auswertung der Meldergeister 4,3 Millionen Deutsche mit mindestens einer weiteren Staatsangehörigkeit. Eine nachträgliche Stichprobe bei einem Zehntel der Bevölkerung ergab 1,6 Millionen. Was auch beim jährlichen „Mikrozensus“ bestätigt wurde. Ein Grund für die Unterschiede ist laut Statistischem Bundesamt auch, dass mancher gar nichts von einer zweiten Staatsbürgschaft wisse. Manche im Meldregister vermerkte Doppelstaatsbürgschaft werde bei einer Haustürbefragung auch nicht angegeben. Teils sind im Melderegister vermerkte Angaben auch nicht mehr gültig.