dpa-Gespräch: „Die Märkte werden sich wieder beruhigen“

Frankfurt/Main (dpa) - Die Börsen brechen ein, Anleger zittern um ihr Erspartes. Was sind die Gründe für die rasante Talfahrt an den Aktienmärkten und wie schlimm ist es tatsächlich?

Wie dramatisch ist die Lage an den Aktienmärkten?

Die Schuldenkrise droht auf Italien und Spanien überzugreifen, die US-Regierung muss drastisch sparen und die Anzeichen für eine Abschwächung der Weltkonjunktur mehren sich - keine guten Nachrichten für Unternehmen und Anleger. Dennoch halten viele Beobachter die Reaktion der Aktienmärkte für übertrieben. Sie verweisen unter anderem auf teils sehr gute Quartalszahlen der Unternehmen.

Warum geht es dennoch rasant abwärts?

Bestimmte, zuletzt äußerst beliebte Wertpapiere sowie technische Vorgänge im Computerhandel verstärken den Kursrutsch. Viele Anleger hatten auf Papiere gesetzt, die ihnen den anfänglichen Einsatz garantieren. Bei fallenden Kursen müssen die Emittenten dieser Papiere schlagartig Aktien verkaufen. „Absolute-Return-Konstrukte sind Trendfolger und wirken zugleich trendverstärkend“, sagt Aktienexperte Jürgen Meyer von der SEB Bank. „Alle wollen im gleichen Moment rein und im gleichen Moment wieder raus. Das führt zu fast digitalen Kurssprüngen“. Ein weiterer Grund für die aktuellen Kursstürze ist die sehr gängige Handelsoption „stop loss“ (dt. „den Verlust beenden“). Mit der „stop loss“-Option gibt ein Anleger seiner Bank den Auftrag, Aktien automatisch zu verkaufen, sobald sie unter einen bestimmten Wert fallen.

Was sollten Anleger derzeit tun?

Dass es an den Börsen auf und ab geht, ist normal. „Während der Panik an den Börsen, seine Aktien zu verkaufen, ist in der Regel schlecht“, sagt Karin Baur, Finanzexpertin bei Stiftung Warentest. Von einem Ausverkauf sind meist alle Aktien betroffen. „Wenn sich die Lage wieder beruhigt, werden die Unterschiede wieder deutlicher. Einige Papiere steigen, andere fallen“, sagt Baur. „Die, die nervös kaufen und verkaufen, sind oft schlecht beraten“, sagt auch Börsenexperte Wolfgang Gerke, Präsident des Bayerischen Finanz Zentrums.

Welche Folgen haben die Börsenturbulenzen für die private Altersvorsorge mit Lebensversicherungen?

Die Gesellschaften stecken das meiste Geld in relativ sichere Anleihen. Das bietet einen gewissen Schutz vor Börsenturbulenzen. Der Nachteil: Die Rendite ist in guten Börsenzeiten vergleichsweise gering.

Welche Geldanlagen sind sicherer?

Als vergleichsweise sicher gelten Zinsanlagen wie Tagesgeld, Festgeld oder deutsche Staatsanleihen, deren Rendite allerdings in guten Börsenzeiten geringer als die vieler Aktien ist. Gold liegt derzeit absolut im Trend, doch sollten Anleger vorsichtig sein. „Der Goldpreis klettert derzeit von einem Allzeithoch zum anderen. Ich würde skeptisch werden, wenn etwas nur nach oben geht, irgendwann geht es auch wieder runter“, sagt Baur. Anleger sollten nicht ihr ganzes Geld in das Edelmetall stecken. In guten Lagen bieten auch Immobilien hohe Stabilität.

Was bedeuten die Turbulenzen für die Konjunktur?

Langanhaltende Kursstürze an den Börsen können im Extremfall eine Abwärtsspirale in Gang setzen. Die Stimmung an den Börsen ist schlecht, Unternehmen zögern mit Investitionen, Verbraucher konsumieren weniger, die Konjunktur schwächt sich ab, was wiederum auf die Stimmung an den Aktienmärkten drückt. Die Gefahr einer weltweiten Rezession sehen Experten derzeit allerdings nicht.

Wann geht es wieder aufwärts an den Börsen?

Den genauen Zeitpunkt kann niemand vorhersagen. Kurzfristig könnte es noch weiter nach unten gehen, auch wegen der ungeklärten Lage in Spanien und Italien. Die Kurse dürften sich nur dann erholen, wenn die Staatsschuldenkrise eingedämmt sei, sagen beispielsweise Volkswirte der Commerzbank voraus. „Die Märkte werden sich wieder beruhigen, aber das geht nicht von einem Tag auf den anderen“, sagt auch Fachmann Wolfgang Gerke.