Drama an der Tanke: Was wird aus E10?
Berlin (dpa) - Die Abneigung der Verbraucher hat die Regierung auf dem falschen Fuß erwischt. Nun soll ein „Benzin“-Gipfel dafür sorgen, dass endlich mehr vom neuen Super-Benzin E10 getankt wird.
Doch die Situation ist vertrackt, die Tankstellen würden am liebsten wieder das alte Superbenzin anbieten.
Die Branche ist so ratlos wie der Autofahrer an der Zapfsäule.
Umweltminister Norbert Röttgen wirft der Mineralölbranche eine verwirrende Informationspolitik als Grund für die Eskalation vor. Stimmt das?
Eigentlich nicht. Der Chef des Mineralölwirtschaftsverbands (MWV), Klaus Picard, hatte nur gesagt, dass die weitere Einführung an Tankstellen, die noch kein E10 haben, wegen der Absatzprobleme vorerst gestoppt werden musste. Denn die Raffinerien bekommen ihre randvollen E10-Tanks nicht leer und kommen gleichzeitig mit der Produktion der verstärkt nachgefragten Super-Sorten nicht nach. Das fein austarierte Produktions- und Verteilungssystem ist aus den Fugen geraten. Rund 70 Prozent der Autofahrer meiden nach Branchenangaben den neuen Sprit. Anders als Röttgen, der nicht am E10 rütteln will, lässt Wirtschaftsminister Rainer Brüderle (FPD) alle Optionen offen. Doch die Regierung hat bisher keine richtige „Exit-Option“.
Wie reagiert die Branche?
Shell, ExxonMobil und Total halten offiziell an dem Plan fest, E10 bis Ende März flächendeckend einzuführen. Total kann das wohl auch schaffen, weil die Tankstellen überwiegend im Osten liegen und aus der Raffinerie Schwedt (Brandenburg) versorgt werden. Shell und Esso sind dagegen auf Zulieferungen von BP/Aral angewiesen. Der vorläufige Stopp der E10-Produktion in der BP-Raffinerie Gelsenkirchen bringt die Rollout-Pläne gründlich durcheinander. Der Umweltexperte der Union, Josef Göppel (CSU), spricht von einem „Komplott und üblen Trick“ der Branche, die E10 mit dem Argument der Absatzkrise gezielt torpediere. Zudem habe die Automobilindustrie dem Pflanzensprit zugestimmt, um schärfere Auflagen beim Ausstoß des Klimakillers CO2 zu vermeiden, informiere aber nun zu wenig. Die Alternative zu E10 seien angesichts drohender Ölknappheit massiv höhere Spritpreise.
Glaubt man noch an einen E10-Erfolg?
Die Benzinbranche macht einen ratlosen Eindruck. „Augen zu und durch“, heißt es in einem Konzern. Und: „Das ist ein Gesetz und muss nun umgesetzt werden.“ Es ist wohl so, dass den Unternehmen das Wasser bis zum Hals steht und sie nicht wissen, was sie machen sollen. Alle hoffen, dass die Verbraucher auf E10 einschwenken. Aber viele Verbraucher fürchten trotz aller Beteuerungen, 99 von 100 deutschen Autos seien E10-sicher, um ihre Motoren. Andere führen ökologische Gründe an und sagen: „Ich tanke keinen Regenwald“.
Stimmt denn nicht das Argument, E10 schütze das Klima?
Darüber gehen die Meinungen weit auseinander. Die Regierung betont, dass das Biokraftstoffe wie E10 unter Einbeziehung der gesamten Herstellungs- und Lieferkette bis 2013 mindestens 35 Prozent weniger Treibhausgase verursachen sollen als fossiler Sprit. Doch der Umweltverband NABU betont, dass für den Biokraftstoffanbau auch klimaschützende Waldflächen gerodet würden und daher das ganze ein Nullsummenspiel sei. Für die Erreichung der EU-Biokraftstoffziele von zehn Prozent Öko-Energien im Verkehr bis 2020 sei ein weiterer Flächenbedarf von bis zu 6,9 Millionen Hektar nötig. Greenpeace meint, E10 bringe soviel wie etwas besser aufgepumpte Reifen.
Warum wurde E10 überhaupt eingeführt?
Die Grundlage für die Markteinführung von E10 ist die EU-Richtlinie über die Qualität von Otto- und Dieselkraftstoffen, die fordert, dass bis 2020 zehn Prozent der Energie im Verkehrssektor aus erneuerbaren Energien kommt. Deutschland, dass sich in Brüssel besonders stark für mehr Biokraftstoffe eingesetzt hat, führte als Schritt zum Erreichen des Ziels E10 ein - in den meisten anderen EU-Staaten gibt es diesen Biosprit nicht.
Kann der „Benzin-Gipfel“ etwas bringen?
Das Treffen am Dienstag bei Wirtschaftsminister Rainer Brüderle wird von den Unternehmen offiziell begrüßt, inoffiziell sind die Erwartungen gering. Die Unternehmen rechnen nicht damit, dass die Politik eine Kehrtwende vollzieht. Zudem ist fraglich, ob mehr Verbraucherinformation jetzt noch etwas bringt. Es gibt Verbitterung, weil die Mineralölkonzerne für das Desaster verantwortlich gemacht werden. „Wir hätte E10 doch niemals eingeführt, wenn wir nicht gezwungen worden wären“, heißt es. Notfalls werden die Unternehmen wohl die Strafen in Kauf nehmen und in ihre Preise einkalkulieren. Letztlich zahlen würden die Kunden.