Hintergrund: Die Akteure im E10-Debakel

Berlin (dpa) - Um den neuen Biosprit E10 tobt eine erbitterte Debatte: Wer ist Schuld daran, dass der Kraftstoff an den Tankstellen floppt? Eine Übersicht der Akteure:

DIE REGIERUNG: Das deutsche Gesetz für die E10-Einführung folgt einer Vorgabe der Europäischen Union, die bis 2020 mehr erneuerbare Energien im Transportsektor festschreibt. Die Regierung, die den Mineralölkonzernen den E10-Zwang verordnete, weist der Branche die Schuld zu. Umweltminister Norbert Röttgen (CDU) und Verbraucherministerin Ilse Aigner (CSU) sagen, die Wirtschaft habe sich aus der Verantwortung gestohlen und hätte genug Zeit für eine gute Informationsstrategie gehabt. Wirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) hat nun zu einem „Benzin-Gipfel“ eingeladen.

DIE MINERALÖLWIRTSCHAFT: Ihr Verband, der MWV, sieht sich als Opfer unausgegorener politischer Vorgaben. Könnte es nach ihm gehen, wäre der Ladenhüter E10 längst vom Markt verschwunden und es würde wieder überall das alte Super fließen. An der Verweigerung der Autofahrer will die Branche keine Mitschuld haben. Es sei die Pflicht von Politik und Autoherstellern gewesen, besser zu informieren. Die Verbände der Biokraftstoffindustrie halten sich mit Kritik zurück und bedauern den Stopp der weiteren E10-Umstellung.

DIE VERBRAUCHER: Fast niemand will das neue E10 tanken. Sieben von zehn Autofahrern, deren Benziner den Bio-Sprit vertragen, meiden die neue Sorte. Dabei könnten nach Berechnungen 93 Prozent aller in Deutschland angemeldeten Benziner das E10 problemlos schlucken.

DIE AUTOMOBILINDUSTRIE weist die Schuld ebenfalls von sich. Der Branchenverband VDA betont, dass 99 Prozent der Fahrzeuge deutscher Hersteller E10 vertragen. Frühzeitig habe der VDA zusammen mit der Organisation der Internationalen Kfz-Hersteller die Verträglichkeits-Liste erstellt. Die ins Internet gestellte 23 Seiten lange Broschüre liest sich bei einem Fahrzeugtyp etwa so: „An 10. Stelle der Fahrzeug-Ident-Nr. steht eines dieser Zeichen: T,V,W,X,Y,1,2,3,4,5,6,7,8,9“. Die Branche würde von der E10-Einführung profitieren, weil ihr damit härtere Auflagen für den Kohlendioxid-Ausstoß erspart bleiben.

DIE AUTOFAHRERLOBBY ADAC: Der größte Automobilclub Europas sieht die Schuld bei der Mineralölbranche. Die Hersteller des neuen Kraftstoffes haben laut ADAC eine vernünftige Aufklärung versäumt.

DIE BAUERN: Aus Sicht von Bauernpräsident Gerd Sonnleitner ist es kein Wunder, dass viele Autofahrer nicht wissen, ob ihr Auto E10 verträgt. Der Verweis auf die im Internet abrufbare Liste sei völlig unzureichend. Für Landwirte ist die Kraftstoffbranche ein neues Geschäftsfeld.

DIE UMWELTSCHÜTZER: Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) betrachtet E10 als Mogelpackung und Verbrauchertäuschung. Der Bund argumentiert, die Ausweitung der Ethanolproduktion benötige mehr Ackerfläche, was zu mehr Treibhausgasen und Monokulturen führe. Der Naturschutzbund NABU fordert ganz einfach ein generelles Tempolimit von 120 auf den deutschen Autobahnen, um das Klima zu schonen.