Fragen und Antworten „Ehe für alle“: Darum dreht sich die Diskussion
Berlin (dpa) - Die SPD will wohl an diesem Freitag im Bundestag über die völlige Gleichstellung gleichgeschlechtlicher Paare abstimmen lassen. Hintergrund: der jüngste Kurswechsel von Kanzlerin Angela Merkel.
Die CDU-Chefin war am Montagabend bei einer Veranstaltung der Zeitschrift „Brigitte“ überraschend vom klaren Nein der CDU bei diesem Thema abgerückt. Die Union hat am Dienstag für den Fall einer Abstimmung im Bundestagsplenum den Fraktionszwang aufgehoben und ihren Abgeordneten das Votum freigestellt. Wichtige Fragen und Antworten zur Diskussion:
Wie geht es jetzt im Bundestag weiter?
Die SPD dürfte bei der Bundestagsabstimmung auf einen Gesetzentwurf des Bundesrates zurückgreifen, der ursprünglich auf ein Papier des damals rot-grün regierten Landes Rheinland-Pfalz zurückgeht. Die erste Lesung im Bundestag dazu ist bereits gelaufen. Das Papier hängt nun schon längere Zeit im Rechtsausschuss des Bundestages fest.
In der Unionsfraktion geht man davon aus, dass die SPD an diesem Mittwoch mit der Opposition aus Linken und Grünen diese Beschlussempfehlung verabschiedet. Die Union wird im Ausschuss nicht zustimmen. Ein solches rot-rot-grünes Votum wäre ein bemerkenswerter Vorgang zwischen den Koalitionspartnern.
Die Empfehlung des Rechtsausschusses zur Annahme des Gesetzentwurfs dürfte nach Einschätzung in der Unionsfraktion dann an diesem Freitag zu Beginn der regulären Plenarsitzung in einer sogenannten Geschäftsordnungsdebatte kurzfristig auf die aktuelle Tagesordnung gesetzt werden. Dort könnten die Unionsabgeordneten dann frei entscheiden; es wird damit gerechnet, dass ein Viertel bis ein Drittel von ihnen zustimmt. Am 7. Juli könnte das Vorhaben dann noch zum zweiten Durchgang in den Bundesrat gehen - auf den letzten Drücker vor der parlamentarischen Sommerpause.
Gibt es verfassungsrechtliche Fragen bei dem Thema?
Es ist umstritten, ob eine Grundgesetzänderung nötig ist oder nicht. Laut Artikel 6 des Grundgesetzes stehen Ehe und Familie „unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung“. Dieser sei nicht ohne Weiteres auf gleichgeschlechtliche Paare übertragbar, argumentieren jene, die eine Grundgesetzänderung für nötig halten. Schließlich gelte die Ehe in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts als Verbindung zwischen Mann und Frau. Deshalb gehe es nicht ohne Änderung am Grundgesetz. Dafür müsste eine Zweidrittelmehrheit im Bundestag her. Die Befürworter SPD, Grüne und Linke bräuchten dann auch 101 Stimmen aus der CDU/CSU-Fraktion, also knapp jeden dritten Unionsabgeordneten.
Wie sieht die andere Meinung aus?
Andere halten eine Grundgesetzänderung nicht für notwendig. Sie sind der Ansicht, die Frage lasse sich durch eine Ergänzung im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) regeln: im Paragrafen 1353 zur „ehelichen Lebensgemeinschaft“. Dort soll klargestellt werden, dass auch gleichgeschlechtliche Personen eine Ehe eingehen können. Dies ist im Gesetzentwurf des Bundesrates vorgesehen, den die SPD im Parlament zur Abstimmung stellen will. Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) hat bereits kundgetan, er halte eine Grundgesetzänderung nicht für zwingend.
Wie sehen die bisherigen Regeln aus?
Seit 2001 können homosexuelle Paare in Deutschland ihre Lebenspartnerschaft offiziell eintragen lassen. Das entsprechende Gesetz hat eine Gleichstellung in vielen Bereichen bewirkt - bei Unterhaltspflicht, im Erbrecht oder etwa beim Ehegattensplitting. Das Bundesverfassungsgericht hat in mehreren Urteilen die Rechte homosexueller Paare gestärkt.
Wo gibt es weiterhin Diskriminierungen?
Im Vergleich zur heterosexuellen Ehe gibt es in Deutschland anders als in Dänemark oder den Niederlanden vor allem beim Adoptionsrecht Benachteiligungen. Nach einer Entscheidung der Bundesverfassungsrichter von 2013 dürfen Homosexuelle in einer Lebenspartnerschaft zwar Adoptivkinder des Partners adoptieren. Die gemeinsame Adoption eines Kindes ist aber nach wie vor nicht möglich.
Merkel hatte am Montag beklagt, sie finde es seltsam, dass in der Koalition mit der SPD nicht richtig über das Thema gesprochen worden sei und es jetzt „holterdipolter“ gehen solle. Stimmt das?
Nein. Die SPD-Spitze hat das Thema mehrfach aufs Koalitions-Tablett gebracht. SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz sagt, er selbst habe die „Ehe für alle“ am 29. März im Koalitionsausschuss als Thema aufgerufen. Merkel soll ihm daraufhin damals geantwortet haben: Vergessen Sie es.