Erdogan bei „Freund Wladimir“: Versöhnung auf Bewährung

St. Petersburg (dpa) - Der türkische Abschuss eines russischen Kampfjets im Grenzgebiet zu Syrien leitete vor gut acht Monaten eine schwere Krise zwischen Moskau und Ankara ein.

Foto: dpa

Ein Präsidententreffen von Wladimir Putin und Recep Tayyip Erdogan in St. Petersburg soll nun ein neues Kapitel aufschlagen. Erdogan spricht sogar von einem „historischen Besuch“ bei seinem „Freund Wladimir“.

Putin oder Erdogan: Wer hat das Kräftemessen denn nun gewonnen?

Erdogan jedenfalls nicht. Auch wenn Ankara darauf beharrt, dass er sich nur bei den Angehörigen des russischen Piloten, nicht aber beim Kreml für den Abschuss des Kampfjets entschuldigte: Um Verzeihung bat der Präsident letztendlich doch. Für Erdogan ein ungewöhnlicher Schritt - und ein Indiz für den Druck, unter dem er sich befand. Auch die türkische Regierung konnte die Bilder von leeren Stränden nicht mehr schönreden, an denen die Russen wegen der von Moskau verhängten Sanktionen fehlten. Putin fühlt sich als Sieger in dem Streit. „Der Kreml nimmt Erdogans Gesprächsangebot aus der Position des Stärkeren an“, sagt der russische Außenpolitikexperte Wladimir Frolow.

Wie ähnlich sind sich Putin und Erdogan eigentlich?

In ihrem autokratischen Stil gleichen sich die Präsidenten. Beide haben außerdem die Begabung, Massen zu mobilisieren. Sie werden von ihren Anhängern in einem Ausmaß verehrt, das aus westlicher Sicht befremdlich wirkt. Putin und Erdogan haben sich zudem durch geschickt eingefädelte Wechsel zwischen dem Ministerpräsidenten- und dem Präsidentenamt an der Macht gehalten. Bei Erdogan kommt hinzu, dass er in seiner Politik nicht nur die nationalistische, sondern auch die religiöse Komponente betont. Zwar nutzt Putin ebenfalls die Nähe zur orthodoxen Kirche als Machtpfeiler, aber nicht so dominant.

Bedeutet das Treffen eine Zäsur in der EU-Orientierung der Türkei?

Erdogan signalisiert der EU damit auf jeden Fall, dass er andere mächtige Partner hat. Das dürfte ihm auch deswegen gelegen kommen, weil die Beziehungen zur EU seit dem Putschversuch in der Türkei noch schlechter geworden sind, als sie davor schon waren. Erdogan ist hochgradig irritiert über die EU-Kritik an den harten Maßnahmen gegen Anhänger der Gülen-Bewegung, die die Türkei hinter dem Putschversuch sieht. Für Unmut sorgt auch die vor allem von Österreich betriebene Kampagne, die EU-Beitrittsverhandlungen mit Ankara zu stoppen.

Was gewinnt Russland eigentlich durch sein Einlenken in dem Streit?

Für den Kreml hat die Türkei energiepolitisch hohe strategische Bedeutung. Interessant auch für EU-Mitglieder ist das Projekt Turkish Stream zum Transit von russischem Erdgas durch das Schwarze Meer via Türkei nach Südeuropa. Ein milliardenschweres Vorhaben ist zudem das Atomkraftwerk Akkuyu, das Russland derzeit beim Nato-Partner Türkei baut. Nach russischen Medienberichten stockten beide Initiativen wegen der Krise. Geopolitisch hofft Moskau mit einer Annäherung an Ankara, einen Keil zwischen die Türkei und den Westen treiben zu können.

Waren Moskau und Ankara früher wirklich enge Verbündete?

Historisch waren Russland und die Türkei keine Verbündeten, eher im Gegenteil. Die Annäherung erfolgte erst unter Erdogan und Putin und war besonders wirtschaftlichen Gesichtspunkten geschuldet. Allerdings gibt es weiter Konfliktpunkte - besonders in Syrien. Erdogan dringt auf die Ablösung des syrischen Machthabers Baschar al-Assad, dessen wichtigster Unterstützer Putin ist. Und nicht zuletzt ist die Türkei Nato-Mitglied. Auch die Allianz dürfte daher Erdogans Russlandreise genau beobachten. Für Russland war die Türkei nie ein enger strategischer Partner. So ist Moskau etwa Schutzmacht von Armenien, das mit Aserbaidschan verfeindet ist - einem Verbündeten Ankaras.

Kommt es nun auch zu einer Wende im Syrien-Konflikt?

Davon ist nicht auszugehen. Weder Russland noch die Türkei lassen Anzeichen dafür erkennen, dass sie von ihrer gegensätzlichen Haltung abweichen könnten. Zwar sagt Erdogans Sprecher Ibrahim Kalin vor der Reise des Präsidenten: „In Zusammenarbeit mit Russland würden wir gerne so bald wie möglich einen politischen Übergang in Syrien ermöglichen.“ Kalin macht aber auch klar, dass das aus Sicht Ankaras nur mit der Ablösung des Regimes geschehen kann. Moskau hält zwar nicht um jeden Preis an Assad fest, will aber nur eine prorussische Regierung in Damaskus zulassen. Seine Machtposition - und auch seine Militärbasen - in Syrien will Russland um keinen Preis aufgeben.