Juncker sehr pessimistisch EU sieht keine Lösung im Flüchtlingsstreit
Brüssel (dpa) - Nach einem ersten Gipfeltag mit zur Schau gestellter Eintracht sind die EU-Staats- und Regierungschefs heute in eine neue Runde des Dauerstreits über die Flüchtlingspolitik gegangen.
EU-Kommissionschef Juncker äußerte sich vorab sehr pessimistisch über die Aussicht auf eine Lösung.
Freuen konnten sich die EU-Staaten aber über gute Wirtschaftszahlen, die EZB-Chef Mario Draghi beim Gipfel erläutern wollte.
Zum Gipfelauftakt hatten Bundeskanzlerin Angela Merkel und ihre Kollegen am Donnerstag die gemeinsame Verteidigungspolitik vorangetrieben und die Verlängerung der EU-Sanktionen gegen Russland gebilligt. Zudem stellten sich die 28 Länder demonstrativ hinter das von US-Präsident Donald Trump aufgekündigte Pariser Klimaabkommen.
Die britische Premierministerin Theresa May, die Ende März den Austritt aus der Gemeinschaft beantragt hatte, machte den 3,2 Millionen EU-Bürgern in ihrem Land ein weitreichendes Angebot für Bleiberechte.
Das bekräftigte May am Freitagmorgen auch noch einmal öffentlich. „Wir wollen allen EU-Bürgern Gewissheit geben, die sich zu einem Leben in Großbritannien entschlossen haben“, sagte May. Keiner müsse das Land verlassen. Das sei ein „sehr faires und ernsthaftes Angebot“. Sie wünsche sich, dass die Partner gleiche Zusagen auch an die Briten in der EU gäben.
Die EU-Seite reagierte vorerst zurückhaltend, weil sie Einzelheiten des Brexits nur in den dafür vorgesehenen Runden der Unterhändler besprechen will. Bundeskanzlerin Merkel sprach immerhin von einem „guten Anfang“. Ähnlich äußerte sich der österreichische Kanzler Christian Kern, der sagte, „das löst sicherlich noch nicht alle Probleme“. EU-Kommissionspräsident Juncker sagte: „Das ist ein Schritt, aber dieser Schritt reicht nicht aus.“ Man wisse immer noch nicht, was London in den Brexit-Verhandlungen genau erreichen wolle.
Weit kritischer noch äußerte sich der Kommissionschef aber über den anhaltenden EU-internen Streit über die Umverteilung von Flüchtlingen, die Länder wie Polen, Ungarn und Tschechien weiter nicht akzeptieren. Er mache sich nicht „allzu große Hoffnungen“ auf ein Einlenken, sagte Juncker. Man werde aber nicht aufgeben: „160 000 Leute in Europa umzuverteilen, das ist 0,035 Prozent der Gesamtbevölkerung Europas. Das muss Europa schaffen.“
Der französische Präsident Emmanuel Macron hatte sich zuletzt sehr kritisch über die Haltung einiger osteuropäischer Länder geäußert und dafür von dort empörte Reaktionen geerntet. Am Freitagmorgen kam Macron direkt mit den Regierungschefs aus Polen, Ungarn, Tschechien und der Slowakei zusammen, um sich mit ihnen über die aktuellen Gipfelthemen auszusprechen, darunter auch Migration.
Im Mittelpunkt standen dabei aber wohl eher wirtschaftliche Fragen. „Wir haben über die Notwendigkeit gesprochen, das Lebensniveau und die Löhne im Westen und Osten der EU anzugleichen“, schrieb der tschechische Ministerpräsident Bohuslav Sobotka auf Twitter. Ein Thema sei die EU-Entsenderichtlinie für Arbeitnehmer, die Macron verändern will, um Sozialdumping zu verhindern. Sobotka pocht auf die Arbeitnehmerfreizügigkeit innerhalb der EU.