Euroländer ächzen unter Schuldenkrise
Wiesbaden/Brüssel (dpa) - Europas Wirtschaft ächzt unter der Schuldenkrise. Ende 2011 sank erstmals seit zweieinhalb Jahren die Wirtschaftsleistung in den 17 Euroländern. Das zum Sparen gezwungene Italien und die Niederlande rutschten im vierten Quartal in die Rezession.
Einige Volkswirte warnen wegen der anhaltenden Unsicherheit vor einem konjunkturellen Absturz des gesamten Euroraums. Doch zumindest die deutsche Wirtschaft hat nach einhelliger Einschätzung trotz eines Dämpfers zum Jahresende die Talsohle durchschritten.
Zwar stoppten ein enttäuschendes Weihnachtsgeschäft im Handel und schwache Exporte den deutschen Aufschwung vorerst. Erstmals seit Anfang 2009 schrumpfte die Wirtschaft im Schlussquartal 2011 wieder. Nach Zahlen des Statistischen Bundesamtes vom Mittwoch sank das Bruttoinlandsprodukt (BIP) von Oktober bis Ende Dezember preis-, saison- und kalenderbereinigt um 0,2 Prozent zum Vorquartal. Das war jedoch etwas weniger als die 0,25 Prozent Minus, die die Statistiker im Januar geschätzt hatten.
Der Jahresausklang gebe somit auch keinen Anlass für Pessimismus, betonte der Außenhandelsverband BGA: „Die deutsche Wirtschaft ist in einer robusten Verfassung und behauptet sich in dem gegenwärtig schwierigen Umfeld gut.“ Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) prognostizierte: „Im Jahresverlauf findet die deutsche Wirtschaft wieder zu einem höheren Wachstum zurück. Darauf deutet auch die Stabilisierung aktueller Konjunkturindikatoren hin.“
Die Ökonomen der Allianz trauen auch dem Euroraum eine Gesundung zu. Im Gesamtjahr dürfte es zu keinem Schrumpfen der Wirtschaft in der Währungsunion kommen, schreiben die Experten - „vorausgesetzt dass die Turbulenzen um die Schuldenkrise allmählich abklingen“.
Nach einer ersten Schätzung der europäischen Statistikbehörde Eurostat ergab sich für den Euroraum wie für die gesamte Europäische Union mit ihren 27 Mitgliedsstaaten im vierten Quartal ein Minus von 0,3 Prozent zum Vorquartal. Am härtesten traf es unter den Euroländern nach den vorliegenden Daten das hoch verschuldete Portugal, dessen Wirtschaft um minus 1,3 Prozent einbrach. Positiv überraschte Frankreich, dessen Wirtschaft entgegen der Erwartungen um 0,2 Prozent zulegte.
Insgesamt wuchs die Wirtschaft im Euroraum 2011 um 1,5 Prozent nach 1,9 Prozent im Jahr zuvor. Für die 27 EU-Länder ermittelten die Statistiker 1,6 Prozent Zuwachs im Gesamtjahr 2011.
Verantwortlich für den Dämpfer im zuletzt boomenden Deutschland - für das Gesamtjahr 2011 bestätigte das Bundesamt das BIP-Wachstum von 3,0 Prozent - waren vor allem die Unsicherheiten infolge der Euro-Schuldenkrise und die nachlassende Dynamik der Konjunktur weltweit. Für positive Impulse sorgte nach Angaben der Statistiker vor allem deutlich gestiegene Bauinvestitionen.
Anfang 2012 hat der Aufschwung hierzulande nach Einschätzung von Volkswirten wieder etwas an Fahrt gewonnen. „Das 4. Quartal 2011 dürfte den Tiefpunkt markiert haben“, meint die Unicredit. Darauf deuteten starke Daten vom Arbeitsmarkt hin. Der Inlandskonsum dürfte wieder anziehen, zumal sich die Verbraucherstimmung zuletzt aufhellte. Zudem läuft die Konjunktur in wichtigen Märkten wie den USA und China allmählich wieder besser, was der Exportnation Deutschland einen Schub geben dürfte.
In der Summe würde Deutschland als Konjunkturlokomotive Europas somit doch nicht in eine „technische Rezession“ schlittern, bei der das BIP in zwei aufeinanderfolgenden Quartalen schrumpft. „Die Diagnose ist: Wir haben eine Delle, keinen Konjunkturabsturz“, urteilte Dekabank-Chefvolkswirt Ulrich Kater.
Allzu große Sprünge dürfte die deutsche Konjunktur zunächst aber nicht machen. „Ein schwacher Start in das Jahr und der frostige Februar werden die Wirtschaftsleistung wohl auch im ersten Quartal belasten“, sagte Simon Junker, Konjunkturexperte beim Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW). Sich füllende Auftragsbücher und die trotz der Euro-Schuldenkrise nach wie vor gute Stimmung in vielen Unternehmen machen Hoffnung auf Erholung.
Die Prognosen für die deutsche Wirtschaft für das Gesamtjahr 2012 gehen wegen der anhaltenden Unsicherheiten allerdings weit auseinander. So erwartet etwa die Deutsche Bank eine „schwarze Null“, die Commerzbank hält ein Plus von 0,5 Prozent für möglich und die Unicredit glaubt sogar an 0,9 Prozent BIP-Wachstum.