Ex-Freund von Amanda Knox nahe der Grenze aufgegriffen

Florenz (dpa) - Kurz nach dem neuen Schuldspruch wegen Mordes ist der Ex-Freund von Amanda Knox, Raffaele Sollecito, am Freitag nahe der italienischen Grenze aufgegriffen worden. Beide hatten nach Überzeugung des Gerichts 2007 in Perugia die Britin Meredith Kercher umgebracht.

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Dafür wurde der Italiener Sollecito am Donnerstagabend in Florenz zu 25 Jahren Haft verurteilt. Die US-Amerikanerin Knox, die dem Prozess fern blieb, bekam 28 Jahre und sechs Monate. „Ich bin erschrocken traurig über das ungerechte Urteil“, erklärte Knox (26) in einer Stellungnahme.

Sollecito war zusammen mit seiner jetzigen Freundin in der Nacht in einer Herberge des Ortes Venzone bei Udine angekommen, etwa 60 Kilometer von Österreich und 40 von Slowenien entfernt. Nach italienischen Medienberichten zog die Polizei seinen Pass ein. Das Gericht hatte ein Ausreiseverbot wegen Fluchtgefahr verhängt.

Die Polizei äußerte sich nicht zu der Frage, ob Sollecito fliehen wollte. Der Italiener soll italienischen Medienberichten zufolge der Polizei gesagt haben, er habe nur einen Abstecher nach Österreich gemacht und sei dann zurückgekehrt. Er wird nicht verhaftet, weil das neue Urteil nicht rechtskräftig ist.

Knox und Sollecito waren von Beginn an die Hauptverdächtigen, hatten den Mord jedoch stets bestritten. Die 21 Jahre alte Kercher war halbnackt und mit zahlreichen Messerstichen in ihrem WG-Zimmer gefunden worden. Nach Überzeugung der Staatsanwaltschaft ermordete das damalige Paar die Studentin mit Hilfe eines dritten, bereits rechtskräftig verurteilten Täters.

Auslöser soll ein Streit um die Sauberkeit in einem gemeinsam von Knox und Kercher bewohnten Haus gewesen sein. Knox und Sollecito waren 2009 in einem Indizienprozess zu langen Haftstrafen verurteilt, in der Berufung dann aber freigesprochen worden. Im März 2013 hatte Italiens höchstes Gericht das Urteil gekippt.

Das Berufungsgericht in Florenz fällte das Urteil jetzt nach zwölfstündigen Beratungen. Die schwierige juristische Aufarbeitung des Mordes geht weiter. Die schriftliche Begründung des Gerichts wird in einigen Wochen erwartet. Wichtig wird sein, warum die Strafe für Knox so hoch ausgefallen ist.

Die Anwälte der beiden kündigten sofort an, gegen das Urteil in zweiter Instanz von neuem Berufung einlegen zu wollen. „Es ist ein schmerzvoller Abschnitt, aber es war nur ein Abschnitt, das Ping Pong wird weitergehen. Wir werden definitiv Berufung einlegen“, sagte Sollecitos Anwältin Giulia Bongiorno. Knox' Verteidiger Luciano Ghirga erklärte: „Wir haben unseren Mut nicht verloren.“

Damit ist das vierte Urteil für Knox und Sollecito noch immer nicht der Abschluss. Zunächst muss der Kassationsgerichtshof in Rom entweder den Schuldspruch bestätigen oder aber den Fall wieder an die untere Instanz zurück verweisen. Bis zu einem endgültigen Urteil dürften erneut Monate vergehen. Es könnte ein Jahr dauern, sagte Franceso Maresca, Anwalt der Kercher-Familie.

„Diese harte Strafe ist kein Trost für die Familie Kercher“, sagte Knox nach dem Urteil. „Ich hätte mehr von der italienischen Justiz erwartet.“ Knox war 2011 nach vier Jahren im Gefängnis in ihre Heimat USA zurückgekehrt. Damit die Strafe gegen sie durchgesetzt werden kann, müsste die Amerikanerin nach Italien ausgeliefert werden. Doch selbst wenn Italien dies nach einem rechtskräftigen Urteil beantragen würde, halten Experten das für unwahrscheinlich. Anders ist die Lage für Sollecito - wegen Fluchtgefahr, so das Gericht.

Das neue Urteil sei ein Schritt hin zur Wahrheit und zur Gerechtigkeit, sagte die Schwester des Mordopfers, Stephanie Kercher, in Florenz. „Niemand wird uns Meredith zurückgeben, vielleicht werden wir nie erfahren, was in jener Nacht (des Mordes) passiert ist.“ Die sieben Jahre seit dem Mord in Perugia seien schwierig und schmerzlich gewesen, sagte Bruder Lyle Kercher.

Knox jedenfalls will nie freiwillig nach Italien zurückkehren. „Sie werden mich fangen und mich tretend und schreiend in ein Gefängnis zurückzerren müssen, in dem zu sein ich nicht verdient hätte“, sagte Knox der Londoner Zeitung „The Guardian“ kurz vor ihrer erneuten Verurteilung. „Ich werde für meine Unschuld kämpfen.“

„Das ist aus dem Ruder gelaufen“, heißt es in der Stellungnahme, die die Knox vertretende PR-Firma in Seattle (US-Staat Washington) veröffentlichte. Die Justiz sei durch eine „übereifrige und unnachgiebige Staatsanwaltschaft“ pervertiert worden, Vorurteile hätten die Ermittlungen geprägt.