Reform gegen Traumnoten Experten fordern Tempo bei neuem Pflege-TÜV
Berlin (dpa) - Sozialverbände und Experten fordern mehr Tempo bei der seit mehr als einem Jahr verzögerten Reform des Pflege-TÜV.
„Pflegedienste und Heime werben noch immer mit den Traumnoten des Pflege-TÜVs“, sagte der Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz, Eugen Brysch, der Deutschen Presse-Agentur in Berlin. „Dabei wissen die Akteure schon längst, dass das Instrument nichts taugt.“ Hinter den Kulissen wird derzeit eine Reform des Pflege-TÜV vorbereitet.
Beim Pflege-TÜV werden Heime und Pflegedienste vom Medizinischen Dienst der Kassen geprüft und benotet. Der Hauptkritikpunkt an den online abrufbaren Pflege-Noten ist mangelnde Aussagekraft. So erzielten im Juli die Pflegeheime eine bundesweite Durchschnittsnote von 1,2. Von Land zu Land variieren die Noten zwischen 1,1 und 1,4.
Mit einer 2015 in Kraft getretenen Pflegereform beauftragte der Gesetzgeber die Pflegeeinrichtungen, Pflegekassen und Kommunen, bis März 2017 ein neues Prüfverfahren zu entwickeln. Diese Vertreter der Heime und der Kostenträger kommen dazu in einem Gremium namens Qualitätsausschuss zusammen. Doch es gab immer wieder Verzögerungen. Vor einem Jahr teilte der Kassen-Spitzenverband mit, Vorschläge von Wissenschaftlern zur Messung der Pflegequalität würden voraussichtlich im Sommer 2018 vorliegen.
Der Sozialverband VdK Deutschland zeigte sich enttäuscht. „Weiterhin sind aussagekräftige Heimbewertungen nicht in Sicht“, sagte Präsidentin Verena Bentele der dpa. „Die Unterschiede zwischen den Pflegeeinrichtungen bleiben intransparent und weiterhin werden Menschen von schlechten Einrichtungen versorgt.“
Hinter den Kulissen laufen derzeit allerdings die Vorbereitungen für die Reform. Noch liege der Abschlussbericht der Wissenschaftler, die einen Vorschlag für einen neuen Pflege-TÜV machen sollen, nicht vor, sagte ein Sprecher des Kassen-Spitzenverbands. „Das soll aber in den nächsten Tagen geschehen.“ Im August wolle der Qualitätsausschuss den Bericht abnehmen, dann sollten dort und beim Kassenverband neue Prüfverfahren und die künftige Darstellung der Prüfergebnisse vereinbart werden.
Die Bundesregierung rechnet damit, dass der neue TÜV für Pflege-Heime in gut einem Jahr endgültig startet. „Wir gehen davon aus, dass im Herbst 2019 mit dem Regelbetrieb begonnen wird“, sagte eine Sprecherin des Gesundheitsressorts. Ein neues Verfahren für die ambulanten Dienste folge bald darauf.
Brysch sparte derweil dennoch nicht mit Kritik an Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU). Ihn scheine nicht zu interessieren, dass die „Volksverdummung“ beim Pflege-TÜV weitergehe, sagte Brysch. Auch Bentele sieht das Gesundheitsministerium gefordert, den Gang der Dinge zu beschleunigen: „Wir brauchen endlich funktionierende Qualitätskontrollen und qualitätsgesicherte Informationen zur Lebensqualität in den Heimen.“
Der Gesundheitsexperte der Bertelsmann Stiftung, Stefan Etgeton, bedauerte, „dass die Fristen nicht eingehalten wurden“. Für die Betroffenen sei die Entscheidung für ein Pflegeheim oft eine Entscheidung für den Rest des Lebens. „Dafür ist Transparenz nötig“, sagte Etgeton der dpa. Die Stiftung und ihr Internetportal „Weisse Liste“, das Patienten bei der Online-Suche in Gesundheitsfragen helfen will, hatten einen neuen Pflege-TÜV vorgeschlagen. Darin sollten Informationen zur Pflegequalität, zum Personaleinsatz und zur Lebensqualität eines Heims online abrufbar sein.
„Die Gesamtnote ist auf zentrale Indikatoren zu beschränken“, verlangte Brysch. Dazu gehörten die Behandlungspflege, die fachärztliche Versorgung, die Medikamenten-Gabe, freiheitsentziehende Maßnahmen und die Verhinderung von Wundgeschwüren.