EZB-Chefvolkswirt gegen griechischen Schuldenerlass
Frankfurt/Main (dpa) - Der scheidende EZB-Chefvolkswirt Jürgen Stark hat den Vorschlag von Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) für einen stärkeren Schlusserlass für Griechenland kritisiert.
„Wir als EZB haben vor einem Schuldenschnitt gewarnt. Wir warnen vor einer Pleite und auch vor einer zwangsweisen Einbeziehung des Privatsektors“, sagte Stark in einem Interview mit den „VDI Nachrichten“.
Schäuble und andere Politiker wie Euro-Gruppen-Chef Jean-Claude Juncker plädieren dafür, den Griechen mehr Schulden zu erlassen als bisher geplant und die Banken stärker an der Rettung des Euro-Krisenlandes zu beteiligen. Die privaten Geldgeber haben bisher zugesagt, eine Wertminderung um 21 Prozent bei ihrem Griechenland-Engagement zu akzeptieren und längere Kreditlaufzeiten mit Athen zu vereinbaren.
Ein Schuldenschnitt sei ein falsches Signal, sagte Stark, der Anfang September überraschend seinen Rücktritt als Chefvolkswirt der Europäischen Zentralbank angekündigt hatte. „Zudem werden sich die Märkte, wenn sie erst einmal sehen, dass ein Land seinen Verpflichtungen nicht unbedingt nachkommen muss, auf andere Länder des Euro-Gebiets konzentrieren, mit dem Ergebnis, dass dies den europäischen Steuerzahler noch teurer zu stehen kommt“.
Von der Politik forderte Stark, dass sie endlich beherzt die Krise angehe, damit Europa nicht ähnlich wie Japan in den 1990er Jahren in eine dauerhafte Schwächeperiode rutsche. Allerdings hat der Ökonom wenig Hoffnung auf ein baldiges Ende der Krise. „Selbst wenn ihr Höhepunkt überwunden wäre, werden wir noch viele Jahre mit den Folgen zu kämpfen haben. Das gilt nicht nur für Europa“.
Stark äußerte zwar Verständnis für die Proteste der griechischen Bevölkerung, warnte aber davor, die Reformen zu verschleppen. „Die Probleme Griechenlands sind lösbar, sie müssen nur ernsthaft angegangen werden“.