Zinsen bleiben unverändert EZB spannt Märkte auf die Folter
Frankfurt/Main (dpa) - Europas Währungshüter verschieben den Einstieg in den Ausstieg aus der Flut des billigen Geldes auf Ende Oktober.
„Wir sind in der Phase, wo wir beginnen darüber nachzudenken, was wir nächstes Jahr tun werden“, sagte EZB-Präsident Mario Draghi am Donnerstag in Frankfurt. „Wahrscheinlich wird der Großteil der Entscheidungen im Oktober getroffen.“
Zunächst behält die Europäische Zentralbank (EZB) ihren Kurs unverändert bei: Bis mindestens Ende 2017 will die EZB monatlich 60 Milliarden Euro in den Kauf von Staats- und Unternehmensanleihen stecken. Das gigantische Kaufprogramm läuft seit März 2015, bisher veranschlagtes Volumen: 2,28 Billionen Euro.
Entgegen den Erwartungen von Volkswirten ließ sich die EZB sogar weiterhin die Möglichkeit offen, das Volumen der Anleihenkäufe auszuweiten - obwohl das Angebot an Wertpapieren, die die EZB nach ihren eigene Regeln kaufen darf, bald an Grenzen stößt.
Wie erwartet unverändert bleiben die Zinsen: Den Leitzins im Euroraum hält die EZB auf dem Rekordtief von null Prozent. Parken Geschäftsbanken Geld bei der Notenbank, kostet das die Institute weiterhin 0,4 Prozent Strafzinsen.
Dabei nimmt seit Wochen der Druck zu, das Ende des Anti-Krisen-Kurses einzuläuten. Denn die Zeiten einer Inflationsrate nahe Null sind vorerst vorbei und die Konjunktur im Euroraum läuft wieder besser.
Selbst die EZB traut dem Währungsraum für das laufende Jahr nun ein kräftiges Wirtschaftswachstum von 2,2 (Juni-Prognose: 1,9) Prozent zu. Damit wäre 2017 für die Eurozone nach Angaben der Förderbank KfW „das wirtschaftlich erfolgreichste der zurückliegenden zehn Jahre“. Für 2018 und 2019 erwartet die EZB unverändert 1,8 beziehungsweise 1,7 Prozent Wachstum in den 19 Ländern mit der Gemeinschaftswährung.
Sorge bereitet den Währungshütern die jüngste Aufwertung des Euro. „Die aktuelle Wechselkursvolatilität stellt eine Unsicherheitsquelle dar, die eine genaue Beobachtung erfordert“, sagte Draghi.
Seit Jahresanfang hat der Euro vor allem gegenüber dem US-Dollar aufgewertet. Experten begründen das damit, das die Wirtschaft im Euroraum robust wächst, während es in den USA nicht mehr so rund läuft. Dort wurden Hoffnungen auf Steuersenkungen und staatliche Ausgabenprogramme von der Trump-Regierung bisher nicht erfüllt.
Das Erstarken des Euro verteuert Produkte europäischer Firmen auf den Weltmärkten tendenziell. Das könnte Exporte und damit das hiesige Wachstum dämpfen. Zugleich werden Importe aus anderen Währungsräumen günstiger, was die Inflation drückt.
Damit wird es für die EZB schwieriger, ihr mittelfristiges Ziel von Preisstabilität bei einer Teuerungsrate knapp unter 2,0 Prozent zu erreichen. Für dieses Jahr erwartet die Notenbank 1,5 Prozent Teuerung. Die Inflationsprognose für 2018 senkte die EZB wegen der jüngsten Wechselkursschwankungen des Euro leicht auf 1,2 Prozent.
„Die konjunkturelle Großwetterlage ruft nach einer geldpolitischen Wende. Aber die EZB bleibt sowohl den Sparern als auch den Märkten Klarheit schuldig“, kritisierte Sparkassen-Präsident Georg Fahrenschon. Die Hauptgeschäftsführerin des Bankenverbandes VÖB, Iris Bethge, mahnte: „Je länger die EZB notwendige Entscheidungen für eine straffere Geldpolitik verzögert, desto schwieriger wird es, die Märkte glaubhaft darauf einzustimmen.“
Ex-Bundesbank-Präsident Axel Weber, inzwischen bei der UBS, forderte auf einer Tagung in Frankfurt: „Die EZB muss sich aus dem Kauf von Anleihen zurückziehen. Punkt.“ Am Vortag hatte Deutsche-Bank-Chef John Cryan angemahnt: „Die Zeit des billigen Geldes in Europa sollte enden - trotz des starken Euro.“ In den Märkten gebe es wegen des vielen billigen Geldes vermehrt Preisblasen, sagte Cryan. Michael Kemmer, Hauptgeschäftsführer des Bankenverbandes BdB, wollte das Argument des starken Euros nicht gelten lassen: „Die EZB sollte die jüngste Wechselkursentwicklung nicht überbewerten.“
Volkswirte erwarten, dass die EZB 2018 schrittweise erst das Anleihenkaufprogramm („Quantitative Easing“/QE) zurückfahren wird. Erst nach Auslaufen der Anleihenkäufe - womöglich erst 2019 - dürfte die Notenbank die Zinsen allmählich wieder anheben. „Die EZB wird nun im Oktober liefern müssen“, kommentierte DZ-Bank-Experte Jan Holthusen - dämpfte aber zugleich die Erwartungen: „Jeglicher Ausstieg aus dieser Politik wird (...) sehr langsam und vorsichtig vonstatten gehen.“