Fragen & Antworten: Der griechische Patient bleibt am Tropf
Athen/Frankfurt (dpa) - Der Schuldenschnitt scheint unter Dach und Fach, aber der griechische Patient bleibt am Tropf. Athen und seine Euro-Partner sprechen von einer „historischen Chance“. Ökonomen warnen jedoch: Gerettet sei Griechenland noch lange nicht.
Und selbst die mit dem Sanierungsplan beauftragte „Troika“ aus Experten von Europäischer Zentralbank (EZB), Europäischer Union (EU) und Internationalem Währungsfonds (IWF) scheint pessimistisch. Glas halb voll oder halb leer? Wo steht Hellas nach der Umschuldung? Die wichtigsten Fragen und Antworten dazu:
Was bedeutet der Schuldenschnitt für Griechenland?
Bestenfalls eine Verschnaufpause. Die Staatspleite ist vorerst abgewendet. Angesichts der befürchteten Chaos-Insolvenz ist jedoch in den Hintergrund geraten, dass der Forderungsverzicht lediglich ein Baustein im komplexen Rettungskonstrukt ist. Die erfolgreiche Umschuldung erfolgt als Auflage der internationalen Geldgeber, die Athen erfüllen muss, um an das zweite Hilfspaket im Volumen von 130 Milliarden Euro zu kommen. Der Weg für weitere Finanzhilfen ist nun frei. „Dennoch besteht kein Grund zum Jubeln“, sagt Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer.
Was muss jetzt passieren?
Damit das Land wieder auf eigenen Füßen stehen kann, ist laut Krämer noch jede Menge zu tun: „Der überdimensionierte, ineffiziente und teilweise korrupte öffentliche Sektor muss grundlegend reformiert werden.“ Außerdem müsse dringend die Wettbewerbsfähigkeit der griechischen Wirtschaft wiederhergestellt werden. Doch der Chefökonom hat wenig Hoffnung: „Angesichts der Erfahrungen in den letzten zwei Jahren habe ich Zweifel, dass dies in der nun zur Verfügung stehenden Zeit gelingt.“ Zum einen sei ungewiss, ob die Regierung überhaupt in der Lage ist, die Reformen gegen die massiven Widerstände umzusetzen. Zum anderen sei völlig offen, ob es nach den für Ende April geplanten Parlamentswahlen noch eine politische Mehrheit für die zugesagten Reformen gibt.
Wie schlecht ist es um die griechische Wirtschaft bestellt?
Sehr schlecht. Was im Trubel um den Schuldenschnitt fast unterging: Die griechische Wirtschaft ist Ende 2011 noch stärker abgestürzt als bisher gemeldet. Im vierten Quartal sei das Bruttoinlandsprodukt (BIP) im Jahresvergleich um 7,5 Prozent eingebrochen, teilte die griechische Statistikbehörde (ELSTAT) am Freitag in Athen nach endgültigen Daten mit. Zuvor hatte die Behörde noch einen Rückgang um 7,0 Prozent gemeldet. Außer der griechischen Regierung rechnet kaum jemand damit, dass sich die Konjunktur in den kommenden Jahren aus dem Würgegriff der Krise befreit. Selbst die „Troika“ sieht laut verschiedenen Medienberichten schwarz. Angeblich halten die Finanzkontrolleure ein drittes Milliarden-Rettungspaket für Griechenland für erforderlich.
Wie stehen die Chancen, wieder an private Kredite zu kommen?
Schlecht. Der Plan, schon 2015 wieder selbstständig Kredite besorgen zu können, gilt als aussichtslos. In einem ersten Entwurf des jüngsten „Troika“-Berichts soll sogar von einem „externen Finanzbedarf von bis zu 50 Milliarden Euro“ die Rede gewesen sein. Michael Heise, Chefvolkswirt der Allianz, hält bei der Rückkehr an den privaten Kapitalmarkt auch die Umschuldungsklauseln für kritisch, mit denen Griechenland einen Teil seiner Gläubiger zum Forderungsverzicht zwingen wird. „Es drohen jahrelange Gerichtsverfahren und potenzielle künftige Investoren könnten abgeschreckt werden“, sagt Heise.
Kann Griechenland überhaupt gerettet werden?
Das ist umstritten. Dass der eingeschlagene Kurs zum Erfolg führt, wird von diversen Ökonomen bezweifelt. Beim bisherigen Sanierungsplan wurde vor allem auf Sparmaßnahmen gesetzt - dieser Weg hat jedoch in die Sackgasse geführt. Mittlerweile fordern deshalb zahlreiche Experten ein Konjunkturprogramm, eine Art „Marshallplan“ nach dem Vorbild des deutschen Wiederaufbaus nach dem Zweiten Weltkrieg. Doch statt einen Kurswechsel zu vollziehen, wird mit dem zweiten Hilfspaket weiter auf drastische Einsparungen vertraut. „Die Griechen kommen so auf keinen grünen Zweig. Sie sparen sich tot“, warnt etwa Bankenexperte Wolfgang Gerke. Die EU müsse sich endlich zu umfangreichen und mehrjährigen Wachstumsprogrammen für Griechenland durchringen, forderte SPD-Fraktionsvize Joachim Poß am Freitag.