Fragen & Antworten: Die Auswirkungen auf die EM

Berlin (dpa) - Gut einen Monat vor dem Start der Fußball- Europameisterschaft nimmt die Debatte um Co-Gastgeber Ukraine an Fahrt auf. Wegen der Bombenanschläge in Dnjepropetrowsk und dem Konflikt um die inhaftierte Oppositionspolitikerin Julia Timoschenko fordern deutsche Politiker einen politischen Boykott oder sogar eine Verlegung der am 8. Juni beginnenden EM.

Doch ist dies realistisch? Die Antworten auf die wichtigsten Fragen aus sportlicher Sicht:

Können die Spiele in der Ukraine überhaupt verlegt werden?

Die ausrichtende Europäische Fußball-Union UEFA sieht für Änderungen aktuell „keinen Grund“. Das sagte der EM-Turnierdirektor Martin Kallen der „Süddeutschen Zeitung“. Generell ist eine Verlegung und auch eine Absage als letzte Maßnahme aber möglich. Sollte es keine andere Chance geben, „müsste man an eine Verschiebung des Turniers denken, in ein anderes Jahr“, erläuterte Kallen. Das wäre allerdings frühestens 2015 vorstellbar - kommendes Jahr steht im Sommer in Brasilien der Confederations Cup mit Spanien als Weltmeister auf dem Programm. 2014 folgt die WM in Brasilien. Eine Verlegung in den Winter ist wegen der Spielpläne in zahlreichen europäischen Ligen, die keine Pause einlegen, ausgeschlossen.

Dürfen Fans dann auf EM-Spiele in Deutschland hoffen?

Die UEFA schließt fünfeinhalb Wochen vor dem Turnierstart Wechsel der Partien von der Ukraine nach Deutschland als „unmöglich“ aus. Alleine die Logistik des Turniers, für das unter anderem entsprechende Hotelkapazitäten und Transporte der Millionen Fans organisiert werden müssen, verhindert einen solchen Last-Minute-Tausch.

Welche Konsequenzen hätte eine Verlegung?

Die Sponsoren haben einen Vertrag mit der UEFA und würden im Zweifelsfall Regressansprüche geltend machen. Ausrüster adidas erklärte, man wolle sich nicht „in interne Regierungsangelegenheiten“ einmischen. „Das ist eine Sache, die die Politik klären muss, nicht die UEFA und schon gar nicht die Sponsoren“, sagte ein Sprecher. Für die deutschen TV-Sender wäre eine räumliche Verlegung zunächst kein größeres Problem. Sie erhalten das Weltbild und würden somit durch die UEFA abgesichert, dass es auf jeden Fall eine Liveübertragung gäbe. Die Arbeit der EM-Fernsehzentrale wäre nicht gefährdet, weil sie in Warschau angesiedelt ist. ARD und ZDF müssten für ihre Rahmenberichterstattung umplanen, die Reporter und Interviewer umgebucht werden. Das ZDF wäre weniger betroffen, weil die Moderation auf der Insel Usedom geplant ist, während die ARD-Moderatoren sich aus den Stadien melden sollen.

Dürfen Fans wegen der Lage in der Ukraine nun ihre Reisen stornieren?

Wer seine Reise zur Fußball-EM wegen der aktuellen politischen Ereignisse in der Ukraine absagen will, bleibt auf den Kosten sitzen. „Eine kostenlose Stornierung wegen der angespannten Sicherheitslage ist nicht möglich“, erklärte Reiserechtler Paul Degott. Ein Rücktritt von der Reise mit kompletter Rückerstattung sei nur aus wichtigen Gründen möglich, die den Trip konkret behindern. Dazu zählen keine Menschenrechtsverletzungen in dem Land. Wer dennoch von der Reise zurücktreten will, muss laut Degott die üblichen Stornogebühren zahlen. Ein Recht zum Rücktritt habe jeder Reisende. Dabei müsse er keine Gründe angeben.

Gibt es bei den Reiseveranstaltern schon Stornierungen?

Nein. Dertour, der für Deutschland lizenzierte Reiseveranstalter für die EM, hat davon noch nichts gemerkt. „Bei uns gibt es keine Stornierungen, und wir erwarten das auch nicht“, sagte Sprecherin Angela de Sando. Auch der Deutsche Reiseverband (DRV) hat laut Sprecherin Sibylle Zeuch noch keine Meldungen über Stornierungen.

Wie geht der Sport mit Boykottforderungen aus der Politik um?

Wie zu erwarten sprechen sich Spitzenfunktionäre vehement gegen einen sportlichen Boykott aus. Diese seien in der Vergangenheit „sinn- wie erfolglos“ gewesen, meint Thomas Bach, Vizepräsident des Internationalen Olympischen Komitees. Er ist der Ansicht, dass der Sport sich „politisch neutral“ verhalten müsse. UEFA-Präsident Michel Platini schweigt bislang zur politischen Lage in der Ukraine. Die deutsche Fußball-Szene positioniert sich aber ungewöhnlich deutlich. Borussia Dortmunds Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke will auf einen Besuch von EM-Spielen in der Ukraine aus Protest verzichten. Bayern-Präsident Uli Hoeneß und der ehemalige DFB-Präsident Theo Zwanziger ermunterten die Spieler, ihre Haltung zu Menschenrechtsverletzungen öffentlich zu äußern.