Fragen & Antworten: Ermittler müssen sich viele Fragen gefallen lassen
Hannover (dpa) - Im Fall Edathy gibt es viele offene Fragen und Ungereimtheiten - sowohl politischer als auch juristischer Art. Diskutiert wird, ob die Ermittler aus Hannover zu weit gegangen sind oder schon viel früher hätten aktiv werden müssen.
Erst schwiegen sie tagelang, dann machten sie ungewöhnlich viele Details öffentlich. Durften Büros und Wohnungen von Sebastian Edathy überhaupt durchsucht werden? Schließlich spricht die Staatsanwalt Hannover selbst von einem Fall an der Grenze zur Kinderpornografie.
Das wird unterschiedlich gesehen. Die Staatsanwaltschaft argumentiert, wer sich Fotos von nackten Jungen aus dem Ausland bestellt, neige auch eher dazu, sich strafbares Material zu beschaffen. Außerdem sieht sie sich nicht allein in der Verantwortung: Der zuständige Ermittlungsrichter beim Amtsgericht Hannover habe schließlich dem Durchsuchungsbeschluss zugestimmt. Kritiker sagen dagegen, vielleicht habe es einen Anfangsverdacht gegeben, aber ganz bestimmt keinen dringenden Tatverdacht, der für eine Durchsuchung notwendig sei.
Warum hat die Staatsanwaltschaft bei der Pressekonferenz am Freitag so viele Details aus dem Verfahren genannt?
Dass derart viele Einzelheiten publik gemacht wurden, ist für ein Ermittlungsverfahren tatsächlich ungewöhnlich - auch deshalb, weil es kein eindeutiger Fall ist, sondern weil es laut Anklagebehörde um einen „Grenzbereich zur Kinderpornografie“ geht. Recht detailliert schilderte der Leiter der Staatsanwaltschaft, Jörg Fröhlich, wann Edathy Filme und Fotos gekauft haben soll, wie viele und auf welchem Weg. Kritiker meinen mit Blick auf die Unschuldsvermutung, dass solche Details nicht die Öffentlichkeit gehören. Dagegen argumentiert die Staatsanwaltschaft, dass die am Freitag genannten Einzelheiten schon in der Öffentlichkeit bekanntgewesen seien.
Welche Fragen sind noch offen?
Bislang ist zum Beispiel noch unklar, warum der Brief, mit dem die Staatsanwaltschaft den Bundestag über das bevorstehende Verfahren informieren wollte, mehr als eine Woche unterwegs war. Hat ihn zwischenzeitlich jemand geöffnet und Edathy den Hinweis gegeben, dass nun offiziell ermittelt werde? Diese Vermutung bekam neue Nahrung, als der Bundestag bestätigte, dass der Brief unverschlossen in Berlin ankam. Edathy hatte sein Mandat nur einen Tag nach dem Versand des Schreibens niedergelegt.
In dem Fall gibt es offensichtlich auch Verstimmungen zwischen dem Bundestag und der Staatsanwaltschaft. Warum?
Fröhlich hatte am Freitag erklärt, das Bundestagsbüro Edathys sei versiegelt und IT-Daten seien gesichert worden. Doch das stimmte so nicht. Die Staatsanwaltschaft hatte den Bundestag zwar um diese Schritte gebeten, jedoch ohne Erfolg. Tags darauf dementierte ein Sprecher in Berlin die Darstellung Fröhlichs. Es habe keine gezielte Sicherung von Daten gegeben, auch sei nicht versiegelt worden. Warum beides nicht geklappt hat, ist unklar.
Wie auch schon im Fall Christian Wulff steht die Staatsanwaltschaft Hannover in der Kritik. Gibt es Parallelen?
Wegen der unterschiedlichen Vorwürfe werden die beiden Verfahren von verschiedenen Abteilungen der Staatsanwaltschaft geführt. Aber wie im Fall des früheren Bundespräsidenten sind auch bei Edathy zahlreiche Details an die Öffentlichkeit gelangt, ohne dass sich die Ermittler selbst geäußert hätten. Hinzu kommt der Vorwurf, die Staatsanwälte aus Hannover hätten sich erneut bei einem prominenten Politiker über die Maßen ins Zeug gelegt. Christian Wulffs Anwälte werfen der Behörde „Verfolgungswahn“ vor, Edathys Anwalt eine „Auslöschung der Persönlichkeitsrechte“ seines Mandanten. Dem halten andere entgegen, dass die Ermittler zu spät reagiert hätten: Schon im Spätherbst hätte offiziell ermittelt und durchsucht werden können. Doch womöglich agierte die Staatsanwaltschaft genau wegen der Schelte im Fall Wulff zurückhaltend, um nicht erneut an den Pranger gestellt zu werden.