Fragen und Antworten: Für Merkel wird es ungemütlicher
Berlin (dpa) - Nach dem Machtwechsel in Athen setzen andere Euro-Länder auf einen Neuanfang in der gesamten Währungsunion. Kritiker des Spar- und Reformkurses von Kanzlerin Angela Merkel sehen sich im Aufwind.
Klar ist, dass sich Deutschland, die anderen Euro-Partner und Wahlsieger Alexis Tsipras zu Kompromissen durchringen müssen. Aber auch in anderen Ländern stehen Wahlen an:
Ist der Kurs von Kanzlerin Angela Merkel in Europa gescheitert?
Nein. Der Euro-Raum hat sich seit dem Höhepunkt der Staatsschuldenkrise stabilisiert. Mit Portugal, Spanien und Irland haben drei der am stärksten betroffenen Länder die Hilfsprogramme abgeschlossen und die Rezession überwunden. Sie finanzieren sich wieder eigenständig am Kapitalmarkt. Die Zinsen für Staatsanleihen sind gesunken. Auch Griechenland weist nach einem radikalen Spar- und Reformkurs Fortschritte und ein Mini-Wirtschaftswachstum auf. Athen konnte sich zumindest kleinere Geldbeträge am Markt leihen.
Wird es jetzt für Merkel in Europa ungemütlicher?
Das ist anzunehmen. Die Bundesregierung sieht sich zwar nicht isoliert und spricht immer von einem europäischen Kurs. Der Kreis vorbehaltlosen Unterstützer wird aber kleiner. Zumal das umstrittene EZB-Programm zum Kauf von Staatsanleihen im ganz großen Stil den Reformdruck auf Regierungen senken könnte. Hellas-Wahlsieger Tsipras vertritt durchaus Positionen wie andere Staats- und Regierungschefs - eben nur etwas radikaler. Der Tenor jedoch ist derselbe, ob in Athen, Rom oder Paris: Der scharfe Sparkurs würge die Wirtschaft ab, treibe die Arbeitslosigkeit in die Höhe und stärke radikale Kräfte. Einige Euro-Länder hoffen nun auf Rückenwind für einen Kurswechsel. Den fordern in Deutschland auch Gewerkschaften, Linke und Grüne - sowie Vertreter vom Berliner Koalitionspartner SPD.
Droht jetzt eine Eiszeit zwischen Berlin und Athen?
Nein. Auch wenn sich beide Seiten bisher unversöhnlich gaben. Der Syriza-Chef will der deutschen Regierungschefin keine maßgebliche Rolle zubilligen und sie so behandeln wie alle 28 EU-Staats- und Regierungschefs auch. Im Kanzleramt gibt man sich unbeeindruckt und wartet die Regierungsbildung in Athen ab - und den Realitätscheck. Es gibt Gemeinsamkeiten: Sowohl die neue Athener Regierung als auch die Bundesregierung eint, dass Griechenland in der Euro-Zone bleiben soll. Die Währungsunion ist stabiler und ein Austritt Griechenlands („Grexit“) zwar verkraftbar. Klar wäre aber, dass die Euro-Zone eben doch nicht auf Dauer in Stein gemeißelt wäre. Der Vertrauensverlust in die zweitgrößte Reservewährung der Welt wäre groß.
Welche Zugeständnisse könnte Deutschland unterstützen?
Tsipras will die bisherigen Reform- und Sparauflagen kippen, das „Diktat“ der Geldgeber-Troika aus Europäischer Zentralbank, EU-Kommission und Internationalem Währungsfonds (IWF) beenden sowie weitere Schuldenerleichterungen durchsetzen. Auch dem Syriza-Chef ist klar, dass es ohne Reformauflagen keine Finanzhilfen gibt und er den Euro-Partnern ein Reformprogramm vorlegen muss. Zunächst könnte es eine nochmalige Verlängerung des Ende Februar auslaufenden Hilfsprogramms geben. Auch könnte die Rückzahlung der Kredite nochmals verschoben und die Zinslast erneut gesenkt werden.
Bleibt also ein Schuldenschnitt? Was hieße das für Deutschland?
Schon die bisherigen Laufzeitverlängerungen wirken wie ein Schuldenschnitt. Denn Griechenland muss die Hilfskredite aus dem ersten Rettungspaket ohnehin erst zwischen den Jahren 2020 und 2041 abzahlen, die Zinsen wurden bereits deutlich gesenkt. Beim zweiten Griechenland-Paket muss Athen erst zwischen 2023 und 2057 Kredite tilgen, Zinszahlungen wurden 2012 um zehn Jahre aufgeschoben. Ein weiterer Schuldenerlass würde Athen kaum unmittelbar Entlastung bringen. Griechenland muss aber von seinem Schuldenstand von fast 180 Prozent der Wirtschaftsleistung herunter. Würde Athen eine Senkung seiner Schuldenquote auf 90 Prozent aushandeln, könnte dies Deutschland Experten zufolge bis zu 40 Milliarden Euro kosten.