Fragen und Antworten: Konsequenzen der Schweizer Weichenstellung
Bern (dpa) - Es ist eine politische Erschütterung, die bis Brüssel zu spüren war. Das Ende der Personenfreizügigkeit in der Schweiz ist für die Politik ein Schock - in Brüssel wie in Bern.
Zu den fundamentalen Rechten in der EU gehört die Freiheit, sich im Land seiner Wahl niederzulassen. Jetzt hat die Schweizer Bevölkerung in einem unerwarteten Schritt dieses Recht ausgehebelt. Die Konsequenzen sind noch kaum überschaubar. Die Verantwortlichen bemühen sich um Schadenbegrenzung.
Gibt es noch irgendetwas an der Volksinitiative zu rütteln?
Definitiv nein. Das Volk hat gesprochen. „Das ist die direkte Demokratie“, sagte Justizministerin Simonetta Sommaruga.
Wie geht es mit den Beziehungen zur EU weiter?
Brüssel hat immer gesagt, dass sich kein Land die Rosinen aus dem EU-Kuchen picken darf. Soll heißen: Wer Zugang zum Binnenmarkt haben will, muss sich an die Spielregeln halten - und zum Beispiel Personenfreizügigkeit gewähren. Ob das im Fall der Schweiz nur Drohkulisse ist, wird sich zeigen.
Wie werden die Kontingente festgelegt?
Das weiß noch niemand genau. Auch die Initiative hat diese Fragen praktisch offengelassen. Die 26 Kantone werden für sich nach einem noch festzulegenden Schlüssel den Bedarf an Zuwanderern ermitteln. Die Bürokratie dürfte nicht unerheblich sein. Der Markt regelt das jedenfalls nur noch mittelbar. Letztlich soll wohl Fachkräften Zuzug möglich sein, aber möglichst ohne Familie.
Wie schnell wird sich etwas ändern?
Die Initiative gibt der Regierung drei Jahre Zeit, die Einzelheiten für die Kontingente festzulegen. In dieser Zeit soll auch mit der EU das Personenfreizügigkeitsabkommen nachverhandelt werden. Bundespräsident Didier Burkhalter bemüht sich um Schadenbegrenzung und will einen „gemeinsamen Weg“ mit der EU finden.
Gibt es unmittelbare Auswirkungen auf die vielen Deutschen im Land?
Nein. Derzeitige Pendler sind nicht unmittelbar betroffen, da sich die Entscheidung auf die Zukunft bezieht. Insgesamt leben fast 300 000 Deutsche im Land. Erst wenn ihre Arbeitsverträge auslaufen sollen, könnte sich die Frage stellen, wie es unter dem neuen Vorzeichen weitergeht.
Welche Rolle spielen die Ausländer auf dem Arbeitsmarkt?
Eine ganz zentrale Rolle. Die Schweiz hat praktisch Vollbeschäftigung. Fachkräfte werden überall gebraucht, vor allem aber in Gesundheits- und Pflegeberufen. Im Tessin, das an Italien grenzt, gibt es aber zum Beispiel Klagen, dass die Einheimischen nicht mehr mit den „billigeren“ Italienern konkurrieren können. Dort war die Zustimmung zur Zuwanderer-Initiative enorm.
Gibt es regionale Unterschiede im Abstimmungsverhalten?
Die Landkarte des „Ja“ und „Nein“ ist einfach zu zeichnen. Die Westschweiz, also die Französisch-sprachigen Gebiete, stimmte gegen die Initiative. Anders verlief es von der Deutsch-Schweiz bis nach Graubünden und im Tessin. Dort fand der Slogan vom ziemlich vollen Boot viele Unterstützer.