Fragen und Antworten: Letzte Koalitionsprojekte auf dem Weg

Berlin (dpa) - Bis zum Sommer will die schwarz-rote Koalition ihre restlichen großen Themen für diese Legislaturperiode im Kabinett erörtert haben - bis Weihnachten soll der Bundestag darüber entschieden haben.

Danach beginnt schon bald der Wahlkampf. Deshalb müssen sich CDU, CSU und SPD nach dem Dauerkonflikt um die Flüchtlingskrise nun ranhalten. Bei Grillteller und Krautsalat einigten sich die Parteispitzen in der Nacht zum Donnerstag auf ein Integrationsgesetz sowie ein Anti-Terror-Papier - und wohl auch auf einiges mehr. Darauf deutet dieser Termin hin: Um 12.00 Uhr treten im Kanzleramt Angela Merkel (CDU), Horst Seehofer (CSU) und Sigmar Gabriel (SPD) erstmals seit November wieder gemeinsam vor die Presse. Das würden sie nicht machen, hätten sie nichts mitzuteilen.

Worum geht es beim Integrationsgesetz?

Um Fördern und Fordern. Es sollen 100 000 neue „Arbeitsgelegenheiten“ - darunter vermutlich Ein-Euro-Jobs - aus Bundesmitteln geschaffen werden. Ziel ist eine Heranführung an den Arbeitsmarkt und sinnvolle Betätigung während des Asylverfahrens. Integrationskurse sollen verpflichtend sein. Wer die Mitwirkung daran ablehnt oder abbricht, dem werden Leistungen gekürzt. Bei Straffälligkeit wird das Aufenthaltsrecht widerrufen. Zur Vermeidung sozialer Brennpunkte sollen Schutzberechtigte gleichmäßiger verteilt werden. Wer den zugewiesenen Wohnsitz verlässt, muss mit Konsequenzen rechnen.

Was hat es mit den Maßnahmen zum Anti-Terror-Kampf auf sich?

Den Sicherheitsbehörden sollen mehr Befugnisse, Geld und Personal geben. Telekommunikationsanbieter müssen sich auf neue Verpflichtungen einstellen. Die Geheimdienste sollen künftig enger mit wichtigen ausländischen Partnerdiensten zusammenarbeiten. Die Internet-Branche ist aufgefordert, in einer freiwilligen Selbstverpflichtung aktiv gegen Terror-Propaganda in ihren Netzwerken vorzugehen.

Was könnten Merkel, Seehofer und Gabriel noch verkünden - tut sich etwas bei den lange versprochenen Arbeitsmarktreformen?

Es sieht danach aus. Am Donnerstagmittag bei der großen Pressekonferenz im Kanzleramt soll auch Arbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) ihren Auftritt haben. Sie hat längst ein Gesetz fertig, um den Missbrauch von Werkverträgen und Leih- oder Zeitarbeit einzudämmen. Dann legte aber die CSU den Kompromiss auf Eis. Mit Werkverträgen vergeben Unternehmen etwa IT-Dienstleistungen, Catering- und Reinigungsdienste an andere Firmen.

Was ist mit Kaufprämien für Elektroautos?

Ungewiss. Klar ist, dass die Koalition den miesen Absatz von Elektroautos mit verschiedenen Maßnahmen ankurbeln will. So soll das spärliche Netz von Ladestationen ausgebaut werden. Höhe und Ausgestaltung einer möglichen Prämie für E-Auto-Käufer waren zuletzt immer noch offen. Wirtschaftsminister Gabriel hatte einmal 5000 Euro ins Spiel gebracht. Die Kosten würden sich Staat und Industrie teilen. In Koalitionskreisen war auch die Rede von einer Selbstverpflichtung der Autobranche, in heimische Batterietechnologie zu investieren. Schwarz-Rot muss etwas tun, weil die Bundesregierung vom Ziel, bis 2020 eine Million E-Fahrzeuge auf die Straßen zu bringen, bereits jetzt meilenweit entfernt ist.

Ist mit einer Einigung auf eine Erbschaftssteuerreform zu rechnen?

Zuletzt hieß es in Parteikreisen, es sei keine Einigung in Sicht. Die Konfliktlinie verläuft hier eher zwischen der CSU auf der einen und CDU/SPD auf der anderen Seite. Zum 1. Juli muss die Reform der Erbschaftsteuer in Kraft sein. Das Bundesverfassungsgericht hatte gerügt, dass Erben großer Familienunternehmen mit Steuerbefreiungen zu gut wegkommen. Union und SPD hatten sich schon mehrfach geeinigt, die CSU hatte jedoch immer wieder Korrekturen zugunsten der Firmenerben verlangt. Dies war dann wiederum der SPD zu weitgehend, aber auch in der CDU sowie von Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) wurden die Forderungen der CSU kritisch gesehen. Ohne Neureglung bis Ende Juni droht Firmenerben, dass sie die Privilegien ganz verlieren.

Was ist mit der Affäre um den Satiriker Jan Böhmermann?

Die Entscheidung der Bundesregierung ist in jedem Fall heikel. Sie wird aber noch in dieser Woche erwartet und möglicherweise bei der Pressekonferenz gleich mit bekanntgegeben. Merkel dürfte auf größtmögliche Geschlossenheit setzen. Die Regierung hat die Wahl zwischen einer Ermächtigung der Staatsanwaltschaft zur Strafverfolgung Böhmermanns wegen dessen vulgären Gedichts über den türkischen Staatschef Recep Tayyip Erdogan und dem Nein zu einem entsprechenden Wunsch der Türkei. So oder so wird es Kritik hageln: entweder aus Ankara, wo das Gedicht als Beleidigung Erdogans gewertet wird, oder in Deutschland, wo viele eine Beschränkung der Meinungsfreiheit fürchten.

Kehrt jetzt der Koalitionsfrieden ein?

Darauf vertrauen viele Koalitionspolitiker nicht. Dem Vernehmen nach hatten sich die drei Parteichefs bereits in der vorigen Woche im kleinsten Kreis darauf verständigt, nach den Zerwürfnissen vor allem zwischen CDU und CSU in der Flüchtlingspolitik Ruhe walten zu lassen. Aber schon kurze Zeit später brachen CSU und SPD eine Rentendebatte vom Zaun. Alle drei Partner - und besonders die Sozialdemokraten - stehen angesichts sinkender Umfragewerte enorm unter Druck. Sie dürften versuchen, sich frühzeitig in Position zu bringen. Was die Union und SPD noch am ehesten eint: die Sorge vor einem weiteren Erstarken der rechtspopulistischen Alternative für Deutschland (AfD).