Analyse Seehofer bleibt stur
Berlin/Neuhardenberg (dpa) - Bundesinnenminister Horst Seehofer ist sich sicher. Der Aufstieg der AfD, das Schwächeln seiner CSU in den Umfragen für die bayerische Landtagswahl - all das hat nur einen Grund: die Migrationspolitik der Bundesregierung, die er seit drei Jahren massiv kritisiert.
Die Migrationsfrage sei „die Mutter aller Probleme“, sagt er den CSU-Bundestagsabgeordneten bei ihrer Sommerklausur in Brandenburg, so berichten es mehrere Teilnehmer hinterher. Vor den Kameras sagt der CSU-Vorsitzende, dass die zweistelligen Umfragewerte für die AfD in Bayern eine Neuerscheinung seien, „wo ja die Grundlage oder die Ursache dafür in der Migrationspolitik liegt“.
Dass er die Hauptverantwortung für die aus seiner Sicht mangelnde Steuerung und Begrenzung des Flüchtlingszustroms bei Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sieht, ist kein Geheimnis. Öffentliche Kommentare in diese Richtung verkneift er sich aber. Zu sehr hat der Streit der Unionsparteien über die Asylpolitik im Frühsommer den beiden Schwesterparteien CDU und CSU geschadet. Auch CSU-Landegruppenchef Alexander Dobrindt will keinen Krawall mehr. Sein Lieblingswort während der zweitägigen Klausur ist „Stabilität“.
Dobrindt stellte sich hinter Seehofer. Die politische Landschaft in Deutschland habe sich durch die Migrationsthematik verändert, dies sei „unstrittig“. Zwar habe man sich innerhalb der Koalition inzwischen auf viele Punkte verständigt. In der Migrationspolitik werde es bei Details jedoch auch in den nächsten Wochen und Monaten noch Diskussionsbedarf geben, zum Beispiel über den hauptsächlich von der SPD geforderten „Spurwechsel“ abgelehnter Asylbewerber in die Arbeitsmigration.
Dass die CSU auch im Bundestag in diesen Tagen nicht nur über Rente, Wohnen und mehr Netto vom Brutto reden will, sondern immer wieder die Begrenzung der Zuwanderung aus Nicht-EU-Staaten auf die Tagesordnung setzt, gefällt vielleicht nicht jedem in der Schwesterpartei CDU. Doch die CSU-Landesgruppe glaubt, dass das die Menschen umtreibt. Und dass man die Benennung von Problemen auf diesem Gebiet - von Hindernissen bei der Abschiebung bis hin zu falschen Identitäten - nicht der AfD überlassen dürfe. Schon gar nicht jetzt, weniger als sechs Wochen vor der bayerischen Landtagswahl, wo die Umfragewerte für die bislang allein regierende CSU so niederschmetternd sind - zuletzt waren es 36 bis 37 Prozent.
Auch deshalb will sie in der Debatte über einen möglichen „Spurwechsel“ auch nicht einknicken - obwohl die SPD, einige CDU-Fraktionskollegen und Wirtschaftsvertreter Druck machen. Die Unternehmer wollen ihre frisch angelernten neuen Mitarbeiter nicht verlieren. Bei der CSU-Klausurtagung auf Schloss Neuhardenberg warnen einige, das könnte dann so ausgehen wie damals vor Jahrzehnten nach der „Gastarbeiter“-Anwerbung: Wenn die Konjunktur einbricht, wären diese Neubürger dann wieder die Ersten, die arbeitslos würden.
Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU), Seehofers Nachfolger als Regierungschef, geht die Konkurrenz von rechts etwas anders an. Seine Botschaft ist: Hier, wo wir stehen, sind Stabilität, Rechtsstaat, das Konservativ-Bürgerliche, der wirtschaftliche Erfolg. Dort, in der AfD, tummeln sich Menschen wie Björn Höcke, vor denen man sich hüten sollte, weil da womöglich „auch ein anderer Plan dahinter steckt“.
Seehofer hat bei seinem Kurzauftritt in Brandenburg klargemacht, dass er sich einen möglichen Absturz bei der Wahl in Bayern nicht in die Schuhe schieben lassen will. Er sagt, der Ausgang der Bayern-Wahl sei „die Messlatte für uns alle“.