Fragen & Antworten: Streik wird zur Geduldsprobe
Frankfurt/Berlin (dpa) - Erst 24 Stunden, dann 48 und jetzt sogar 60 Stunden Streik am Stück: Im komplizierten Konflikt mit den großen Regionalverkehrs-Konkurrenten der Deutschen Bahn (DB) setzt die Lokführergewerkschaft GDL auf anschwellende Eskalation.
Dabei wird das Ringen um einheitliche Tarifstandards in der Branche immer mehr zur Geduldsprobe - nicht zuletzt für die leidgeprüften Fahrgäste.
Wie ist die aktuelle Lage an der Tariffront?
Mit der massiven Streikwelle bis Donnerstagfrüh, 2.00 Uhr, will Gewerkschaftsboss Claus Weselsky erzwingen, dass es nach monatelanger Funkstille überhaupt wieder zu Gesprächen kommt. Bereits Ende Januar waren die Verhandlungen mit den sechs Unternehmen Abellio, Netinera (bisher: Arriva), Benex, Keolis, Veolia und Hessische Landesbahn geplatzt. Anfang März lösten sie ihre Verhandlungsgemeinschaft auf. Inzwischen laufen immerhin mit Keolis wieder Gespräche - die Tochter der französischen Bahn SNCF bleibt daher auch bis auf weiteres vom Streik verschont. Den anderen Fünf drohte der GDL-Boss einmal mehr: „Wer die Zeichen der Zeit verpasst, verbrennt Gelder im Tarifkonflikt, die bei den Beschäftigten viel besser angelegt wären.“
Gibt es wenigstens Zeichen für eine Annäherung?
Der Ton zwischen den Rivalen wird immer gereizter. Die Arbeitgeber sollten den Konflikt nicht länger auf dem Rücken der Kunden austragen und endlich ein substanzielles Angebot vorlegen, donnerte Weselsky. Und auch auf der Gegenseite herrscht Verärgerung. „Die GDL ist vom Verhandlungstisch aufgestanden, nicht wir“, hieß es bei Benex. Es seien Angebote „noch und nöcher gemacht worden“. Der GDL gehe es anscheinend um einen Wettkampf mit der größeren Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) - mit der haben DB und die Konkurrenten schon einen Branchentarif für den Nahverkehr unter Dach und Fach. Auch die Hessische Landesbahn fühlt sich ignoriert, Gesprächssignale habe die GDL konsequent missachtet, hieß es aus dem Unternehmen.
Was will die GDL im Kern erreichen?
Die Gewerkschaft verlangt für alle 26 000 Lokführer in Deutschland einen einheitlichen Tarifstandard auf dem Niveau des Marktführers Deutsche Bahn (DB), wo 20 000 Lokführer arbeiten. Dort verdient das Personal im Führerstand durchschnittlich etwa 2750 Euro brutto plus Zulagen bei 39 Stunden Arbeitszeit pro Woche. Dieses Niveau hatten GDL und DB vergangenen Freitag im sogenannten Rahmentarifvertrag festgezurrt. Nun soll nach dem Willen der Gewerkschaft die DB-Konkurrenz bundesweit dieses Vertragswerk ebenfalls anerkennen.
Hat die GDL überhaupt noch Geld in der Streikkasse?
Das behauptet sie zumindest voller Überzeugung. Fakt ist: Jede neue Streikwelle kostet die GDL richtig Geld - denn ihre streikenden Mitglieder müssen bei jedem Ausstand aus der Streikkasse bezahlt werden. „Und die ist gut gefüllt“, sagt GDL-Sprecherin Gerda Seibert ohne Details zu nennen. Nur so viel sei verraten: „Unsere Gewerkschaft ist fast 150 Jahre alt. Gehen Sie mal ruhig davon aus, dass da über die Jahre gewisse Rücklagen zusammengekommen sind.“
Und was bedeutet das jetzt alles für die Fahrgäste?
Vor Streiks sicher sind nur die Kunden beim Marktführer DB. Denn mit dem bundeseigenen Konzern hatte sich die GDL nicht nur auf den Rahmentarifvertrag, sondern gleich auf ein ganz neues Tarifpaket geeinigt. Es sieht unter anderem 2,0 Prozent Plus bei den Einkommen der 20 000 Lokführer vor und hat eine Laufzeit bis Ende Juni 2012. Bis mindestens zum Sommer nächsten Jahres herrscht bei der DB also streikfreie Zeit. Anders bei ihren Wettbewerbern: Nur mit dem Unternehmen Keolis (Eurobahn) gibt es eine erste Annäherung. Bei der übrigen DB-Konkurrenz droht ein langer Arbeitskampf.